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Der Schein trügt

December 15th, 2011 by G!

Kollege nff hat ja in seinen Beiträgen ausführlich über schlechtes Herbst Winterwetter berichtet und der nächste Sturm scheint schon wieder anzurollen. Bei meinem letzten Flug erwartete uns bei der Ankunft aus LAX folgendes, sehr harmloses, Zürcher ATIS (Flughafenwetter):

LDG RWY 14 ILS APCH, Wind 160/9, visibility 10km or more, Touchdownzone 10km or more, clouds few 6000 ft bkn 7500ft NOSIG

Uns erwartet ein Anflug auf die Piste 14 bei Wind aus Richtung 160 (also quasi Pistenrichtung) mit einer Stärke von 9 Knoten (ca. 16km/h). Die Sicht, auch in der Landezone, beträgt über 10km (das ist das Maximum, das angegeben wird). Der Himmel ist auf 6000 Fuss über Grund 1-2/8 und auf 7500 Fuss über Grund 5-7/8 bedeckt.
 

Airmet: Mod Turb fcst alps and N of alps btn sfc and FL 150 stnr nc

Es werden moderate Turbulenzen in nördlichder Alpen vom Boden bis auf 15’000 Fuss vorhergesagt. Das ganze bleibt stationär und es wird kein Wechsel erwartet.
 

Die Landung aus der Stadt der Engel war wie üblich am Nachmittag in ZRH vorgesehen. Die Planungsgötter wiesen mir für den Flug das “V” zu, was bedeutet, dass ich eine lange Nachtschicht vor mir hatte: Ich startete unseren Airbus 340-300 um 0445 Uhr Lokalzeit ZRH und wurde als letzter um 1155 Uhr Lokalzeit ZRH abgelöst und durfte damit die Landung auf dem Jumpseat mitverfolgen. Ein Blick in die Planungsunterlagen verriet uns starke Westwinde für den ganzen Flug, was eine sehr kurze Flugzeit von nur gerade 10:15 Stunden (sic!) bedeutete (am Tag unseres Abfluges hatten die Kollegen nach JFK neun Stunden Flugzeit…)! Zürich hatte zwar starke Westwinde mit Böen vorhergesagt, aber erst nach unserer Landung. Das hinderte uns nicht, unsere Treibstoffplanung auf böiges Wetter und einen Anflug auf die Piste 28 auszurichten, zumal andere Flughäfen die Westwinde früher prognostiziert hatten. So fiel auch beim Eingeben der Winde in den Computer auf, dass auch für den Sinkflug durchwegs und bis in tiefe Höhen (starker) Westwind vorhergesagt war. Nachdem wir Paris überquert hatten und ich halb tot verschlafen ins Cockpit trat, hatten wir denn noch über 150 km/h Westwind. Umso mehr überraschte mich das oben erwähnte ATIS von ZRH, denn dieses stellte, für sich allein betrachtet, fliegerisch überhaupt kein Problem dar: am Boden wenig Wind und das erst noch in Form von Gegenwind aus der Pistenrichtung (in Zürich ist das sehr oft nicht der Fall). Auch die Sicht und Wolkenuntergrenze problemlos. Liest sich wie ein schöner, problemloser 08/15-Anflug, der uns da erwartet. Piece of cake, wie die Amerikaner sagen würden. Aber ein Blick auf das Airmet verrät, dass die starken Winde auch in der Schweiz noch wehen, sonst käme es nicht zu den Turbulenzen in der beschriebenen Art. Wir waren kritisch, denn aufgrund sämtlicher uns zur Verfügung stehender Informationen mussten wir trotz des harmlosen ATIS davon ausgehen, dass der Anflug nicht ganz einfach werden dürfte. Und ich freute mich, dass ich meine Kollegen aus dem Logenplatz, dem Jumpseat, beobachten durfte *grins*.

Es fing alles mit (zu) hervorragenden Radarvektoren des TWR Mädel’schen Kollegen an die, in Verbindung mit dem Rückenwind, der uns mit zusätzlichen 100km/h von Basel Richtung Osten schob, dazu führten, dass wir zusätzliche Distanz (Trackmiles) benötigten, um den schweren A340 zum Absinken zu bringen. Als wir die Freigabe bekamen, auf den Leitstrahl des Instrumentenlandesystems (ILS) einzubiegen, hatten wir noch immer knapp 100km/h Wind aus Westen!

Auf der ILS, horizontal und vertikal stabilisiert, ergab sichvom dritten Sitz aus folgendes Bild, welches genau in der Flugzeuglängsachse aufgenommen wurde (leider unscharf wegen der Turbulenzen):

… und mit Erklärungen:

1) Unsere Landepiste 14 (und damit unsere Flugrichtung, wo unser Flugvektor hinzeigt!)

2) Die Richtung der Flugzeuglängsachse/-nase

3) Windanzeige (Seitenwind von rechts, irgendwas über 30kt; darum zeigt die Nase nach rechts, der Flugweg aber nach links)

4) Anzeige auf dem Navigationsdisplay, die das Bild auf dem Fenster und die Punkte 1) – 3) darstellt:

– Das gelbe Flugzeug zeigt unser Flugzeug und zeigt die Flugzeugachse (2).

– Der grüne Strich ist die Flugrichtung, die Richtung Piste 14 (1) zeigt

– Die Kompassrose oben am Navigationsdisplay und unterhalb des Horizonts zeigt, dass die Differenz zwischen Flugzeugachse (2) und Flugrichtung (1) rund 15° beträgt!

In der Folge nahm der Wind sogar noch zu: 5.8 nautische Meilen vor der Landung, und damit in rund 600m Flughöhe, las ich auf dem Navigationsdisplay 45kt (ca. 83km/h) ab. Die Windschwankungen verlangten dem Captain, der Pilot Flying war, alles ab und es hat wohl nicht viel gefehlt, dann hätte unser Windshear-Warnungssystem angesprochen, denn am Boden war der Wind wie im ATIS und vom Tower angegeben! Bei einer Windshear-Warnung wären die Kollegen zeitverzugslos durchgestartet. Wir blieben aber innerhalb der Toleranzen und ein Durchstart blieb uns erspart, weshalb mein Kollege den Airbus nach 10:20 Stunden Flug durch die Nacht und einem schweisstreibenden Kampf gegen die Elemente sicher auf der Piste 14. 08/15-Anflug? Der Schein trügt.

Als ich später am Lichtsignal wartete, startet ein Flugzeug über mir durch…

 

Nachtrag aufgrund von Kommentaren im Blog und auf Google+: 

Ich habe mich offenbar nicht klar ausgedrückt: Die Wetterangabe im ATIS war nicht falsch, denn am Boden war der Wind wie gemeldet (ATIS und vom Tower bei der Landefreigabe). Nur gilt das ATIS eben (nur) am Boden und wir kommen aus der Luft… Das einzige was noch ins ATIS gehört, wären allfällige Windshears. Ich gehe aber davon aus, dass es diese vorher nicht gab oder allenfalls nicht gemeldet wurden (beides ist möglich, am Nachmittag als wir ankamen, waren wir noch bei den ersten anfliegenden Flugzeugen). Andernfalls hätte uns der Tower bei der Landefreigabe sicher informiert (und es wäre später ins ATIS aufgenommen worden, falls sie immer noch vorhanden waren). Mein Kollege hat sie auf jeden Fall gemeldet.

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Vulkanasche voraus – Umleitung!

May 20th, 2010 by G!

8. Mai 2010

0710 Uhr (CH-Lokalzeit), am Küchentisch

Mein Kaffee steht auf dem Tisch, das Müesli ist zubereitet, das Thinkpad aufgestartet. Mein HTC Desire (ja, das mit Google Android Betriebssystem ;-)) bimmelt. Zwei Anrufe in Abwesenheit, eine Mitteilung auf der Combox. Das bedeutet in der Regel am Morgen vor dem Flug nichts erfreuliches. Der Anruf bei der Crewdispo bestätigt dies, ich bin eine Stunde zu früh aufgestanden, mein Flug nach New York wurde um eine Stunde verschoben, weil der Flieger aus ebendieser Stadt Verspätung hat. Ein Blick in die Neuigkeiten zum Tag erklären warum: E15, der bekannteste Isländer, schickt seine Ausdünstungen erneut in den Süden.

0930 Uhr, Meteobüro, Swiss Operation Center Flughafen Zürich

Eineinhalb Stunden vor der (verschobenen) Startzeit bin ich wie gewöhnlich zu früh im OPS und treffe schon auf meinen Chef für das Unternehmen “JFK retour”. Seit unsere Airline noch Luft im Namen hatte, bin ich nicht mehr mit ihm geflogen, weshalb wir uns freuen, über dem Nordatlantik genug Zeit um über die letzten bald zehn Jahre zu plaudern. Wir schauen gemeinsam die “Aschekarte” (die aktuellen gibts >hier<) an. Hm, die Wolke liegt genau vor Europa über dem Nordatlantik. Nicht gut, wenn man einen Nordatlantikflug vor sich hat.

0934 Uhr, Swiss Flightdispatch, Swiss OPC

Das “nicht gut” wird vom Flightdispatch in Zahlen und Striche umgesetzt: der Flugweg nach JFK geht nordöstlich an Grossbritannien vorbei, über den Norden Islands, quer über Grönland und dann über Montreal nach den Süden. In Zahlen: gerechnete Flugzeit 9 Stunden 20 Minuten.

Das “Nord”atlantik Tracksystem am 8. Mai 2010. Im Norden die Tracks von Ost nach West, im Süden diejenigen nach Europa. Unser Flug war auf dem zweitsüdlichsten der Tracks im Norden geplant. Geflogen sind wir nach der Schliessung der zwei südlichsten auf dem zweitnördlichsten. Die Aschewolcke war genau zwischen den beiden Tracksystemen.

0945 Uhr, Cabin Briefing Room, Swiss OPC

Wir überbringen die Kunde der unüblichen Route mit der unerfreulichen Nachricht der Flugzeit der Kabinencrew. Nach den Erklärungen, warum wir so fliegen müssen, wo die Asche ist, wann sie sich wie weiterbewegt und ob man den Vulkan von unserem Flugweg aus sehe, machen wir uns an die Flugplanung.

0950 Uhr, Cockpit Briefing, Swiss OPC

Wir kämpfen uns durch die uns unbekannten Daten der Flughäfen, welche zum Planen verwendet wurden, da die “üblichen Verdächtigen” in Europa aschehalber nicht in Frage kommen. Bergen (ENBR) in Norwegen und Sondrestrom (BGSF) auf Grönland sind mir nur von “Kriegsgeschichten” von älteren Kollegen bekannt. Immerhin ist das Wetter unterwegs planungsmässig kein Problem, weshalb wir innert nützlicher Frist unsere Flugplanung beenden können. Aufgrund der unsicheren Lage um Island und des starken Windes in JFK (wer hätte das gedacht…) einigen wir uns, dass wir genug Treibstoff mitnehmen, um mögliche Eventualitäten unterwegs und an der Destination abzudecken.

1010 Uhr, HB-JHA, Dock Midfield

Wir treffen auf dem Flugzeug ein, wo die Cabin Crew fast schon mit dem Vorbereiten des Flugzeuges fertig ist. “Cabin Crew – Fueling in progress” gebe ich durch das PA durch. Das wird noch eine Weile so bleiben, obwohl 2 Tonnen pro Minute in die Flügel gepumpt werden! Im Cockpit angekommen, mache ich mich an die Cockpit Preparation, überprüfe die technischen Systeme, gebe den aussergewöhnlichen Flugplan ins Flight Management System (FMS) ein und starte unsere Tablet-PCs.

1015 Uhr, Cockpit HB-JHA

Auch das noch: wir haben einen Slot, der in ca. 30 Minuten beginnt – nota bene klar vor unserer geplanten Startzeit! Die Betankung läuft noch, wir haben noch keinen einzigen unser gegen zweihundert Passagiere. Knapp wäre komfortabel…

1045 Uhr, Cockpit HB-JHA

Wir verpassen unseren Slot. Der Drucker summt und spuckt den neuen aus – in rund einer halben Stunde, alles Bestens, wir sind wieder dabei. Jetzt ist der Zeitpunkt, unsere Briefings zu machen, den Sitz zurückstellen und dann einen Nespresso zu bestellen. Das machen wir auch, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, what else?!

Im Anschluss, leider immer noch am Boden

Dann überschlagen sich die Ereignisse, weshalb ich keine Ahnung mehr habe, zu welcher Zeit was geschah, weil meine Kapazität anderweitig benötigt wurde. Es fängt damit an, dass wir fristgerecht bereit zum Zurückstossen sind, als der Drucker wieder summt und uns einen Slot in einer Ewigkeit herausspuckt. Mein Kollege telefoniert mit dem Slotmanager (ja, diese Funktion gibt es tatsächlich!) um abzuklären, ob wir eine Chance auf eine Verbesserung hätten, da wir bereit seien. Der Slotie verneint dies und meint, dass wir den Dispatch kontaktieren müssten. Gesagt getan. Die Aschewolke hat sich entgegen den Vorhersagen gegen Norden verschoben! Unglücklicherweise liegen aber im Norden von Island die Nordatlantiktracks, auf denen der Ost-Westverkehr fliegt. Konsequenz ist, dass zwei Tracks geschlossen worden sind. Auch unser Track. Wir müssen also umgeplant werden auf einen noch nördlicheren Track. Das erledigt der Dispatch. Weil nun aber die Flugzeuge der geschlossenen Tracks auf die andern aufgeteilt werden, deren Kapazität aber nicht grösser wird, gibt es diese zwangsläufig sehr schlechte Slots, damit die Flugzeuge gestaffelt werden können. Nach der Umplanung müssen wir bzw. ich den neuen Flugplan ins FMS eingeben. Er wird uns vom Dispatch auf das Flugzeug geschickt. Der Drucker summt unaufhörlich. Zunächst muss ich als Pilot Flying wieder den nötigen Treibstoff bestimmen.  Da wir nun weiter (und länger) fliegen, benötigen wir mehr Treibstoff als geplant. Obwohl wir vorsichtig geplant haben, sind wir uns einig, dass er nicht ausreicht. Wir müssen nachtanken!

Tönt einfacher als es ist, denn dazu werden benötigen wir:
– einen Tanker mit seinem Tankfahrzeug;
– jemand vom Bodenpersonal, um den Jetty wieder ans Flugzeug zu fahren (Sicherheitsmassnahme wegen dem Auftanken und weil wir die Treibstoffabrechnung zur Kontrolle benötigen);
– den Loadcontroller, der uns die neue Ladeberechnung macht und das neue Loadsheet ausstellt (da wir mehr Treibstoff mitnehmen);
– Information an die Passagiere mit einem Update über die Situation.

Dies muss alles von uns organisiert werden. Alles ist am Laufen, ich gebe den neuen Flugplan ins System ein. Ein neues Problem taucht auf: unsere Dutytime! Bei solch einer Verspätung laufen wir Gefahr, über die zulässige Dutytime zu kommen. Der Maître de Cabine und wir Piloten rechnen und kommen zu demselben Ergebnis: overduty! Wir dürfen legal overduty bis zu einer gewissen Maximalzeit leisten. Diese Limite ist nicht erreicht, dennoch geht es um eine zentrale Frage, die sich jedes Crew Member stellen muss: bin ich am Ende des Fluges vollkommen fit, um meine Duty erfüllen zu können? Wir reden von einer misslungenen Landung nach weiteren 10 Stunden Flug, einem Unfall am Boden beim Einbiegen ans Gate mit Evakuation durch die Cabin Crew. Dann muss man fit sein, nicht jetzt, wenn man sich die Frage stellt! Es geht um die Sicherheit von Menschenleben. Keine einfache Beurteilung, die jedes Crew Member für sich selber machen muss. Ich habe gut und genug geschlafen, traue mir das zu. Mein Kollege auch, aber eine Flight Attendant nicht. Sie will aussteigen. Das ist nicht nur ihr Recht, sondern ihre Pflicht! Für uns bedeutet dies, dass wir ein Cabin Crew Member zu wenig haben. Mein Kollege ruft die Crewdispo an und informiert sie. Ich bestelle den Bus, der die Kollegin abholt. Falls die Crewdispo keine andere Flight Attendant in den nächsten Minuten auftreiben kann, müssen wir entweder Passagiere ausladen oder den Flug absagen. Die Crewdispo ist kreativ: zwar hat es keine Reserve-Flight Attendants mehr im OPC, aber sie organisieren eine andere F/A, die schon im Briefing nach ORD sitzt. Dort ist sie “legal” entbehrlich, da neun F/As geplant sind, legal aber nur acht benötigt werden.

Nach einer gewissen Zeit kehrt wieder Ruhe ein: die neue F/A ist bereits an Bord und hat ihre Duty aufgenommen, die Kollegin ist abgeholt worden, weitere drei Tonnen Treibstoff in den Flügeln, wir haben die Treibstoffrechnung erhalten, der Jetty ist weggefahren und die Türen wieder geschlossen. Während der Kapitän die Passagiere und den M/C so gut wie möglich auf dem Laufenden hält, verteilen die F/As in der Kabine Snacks und Getränke. Das ist auch nötig, denn inzwischen ist es bereits nach 1200 Uhr, die Passagiere bereits über eine Stunde an Bord. Ohne dass wir uns auch nur einen Meter bewegt haben!

1246 Uhr, Dock Midfield Flughafen Zürich

Was lange währt, wird endlich gut. Mit 2 Stunden 51 Minuten Verspätung auf unsere geplante und 1 Stunde 51 Minuten auf die erwartete – Startzeit werden wir endlich vom Gate zurück gestossen.

1259 Uhr, Piste 16, Flughafen Zürich

Nach rund 60 Sekunden, in denen unsere zwei Rolls Royce Triebwerke den 224 Tonnen schweren Airbus 330-300 von null auf über 280 km/h beschleunigt haben, heben wir wohlverdient auf der Piste 16 in Zürich ab. Fünf Stunden nachdem ich am Frühstückstisch gesessen habe, haben wir es in die Luft geschafft. New York, wir kommen!

Irgendwann, irgendwo über Kanada

Nach einem “ereignislosen” Flug, bei dem aufgrund des Routings alles non-standard war, machten wir uns daran, den Minimum-Layover (die Zeit, die wir zwischen zwei Flügen legal zur Erholung benötigen) zu berechnen, da wegen der Verspätung und der sehr langen Dutytime der geplante Layover in New York unter dem legalen Minimum war. Mein Kollege teilte unsere Absichten über das Satellitentelefon der Crewdispo mit. Ich spare die rechnerischen Details, nur soviel: die Berechnungen sind so kompliziert, dass ich rund 30 Minuten hatte, um alles auszurechnen. Es zeigt sich einmal mehr, dass diejenigen Personen, welche die Vorschriften / Gesetze machen, nicht in der Praxis sind…tragisch. Letzten Endes mussten wir unseren Rückflug um vier Stunden verspäten. Die Zeit zur Erholung hatten wir mehr als nötig.

1650 Uhr (New York Lokalzeit), JFK Rwy 31R

Nach 9 Stunden und 51 Minuten reiner Flugzeit (ZRH-JFK!!!) setzte ich die JHA bei einem Wind von 290/28G38 (Wind mit 50 km/h mit Böen bis 70 km/h) auf der Piste auf. Es war keine “schöne” Landung, aber damit konnte ich gut leben!

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You guys sit down there / Ausblick Mai

May 4th, 2010 by G!

Rückblick

Den April schloss ich mit einem mit einem Flug an meine Lieblingsdestination New York JFK ab.  Laut der Wettervorhersage mussten wir mit einem etwas böigen Anflug rechnen. Da der Wind jedoch aus Pistenrichtung vorhergesagt wurde, kein grosses Thema. Für den regelmässigen Leser keine Überraschung: JFK wäre aber nicht JFK, wenn es nicht anders als geplant kommt. Der erste New Yorker Controller schickt uns nach der Begrüssung auf direktem Weg ins Holding. Grund: mehrere Flugzeuge mussten wegen einer “Windshear”-Warnung durchstarten. Zunächst hiess es für uns Eventualplanung: Wie lange können wir im Holding bleiben, damit wir mit genügend Treibstoffreserven anfliegen können? Welche Flughäfen in der Region können wir anfliegen? Welches Wetter erwartet uns dort? Usw. Danach besprachen wir aus aktuellem Anlass nochmal die möglichen Windshear-Warnungen und deren Konsequenzen. Kaum war alles besprochen, erhalten wir Radarvectors (“Radar-Richtungsanweisungen”) für einen Auflug auf Piste 22L. Nun, der starke Wind kam aber aus 310 Grad und damit wäre Piste 31R mit Headwind optimal und nicht 22L mit vollem Crosswind…

Während wir endlich in die Richtung des Flughafens drehen dürfen,der nächste Durchstart: der Seitenwind ist mit 33 Knoten grösser als die Seitenwindlimite des Flugzeuges. Ausserdem hat es Böen und Windshears im Endanflug. Danach beschwert sich einer der durchgestarteten Piloten bei dem Controller, warum sie nicht Piste 31R benutzen würden und er fügt an: “You guys sit down there, we must fly!” Er hat zwar Recht, das interessiert den Controller aber nicht, denn er gibt ihm die geforderte Telefonnummer, die der Pilot zum Beschweren wollte, nicht. Dafür hat er auch keine Zeit, schliesslich ist genug Heavy Metal – unter anderem unseren Airbus 330-300 – in der Luft. Wir erfahren über Funk, dass die Piste (endlich) gewechselt wird. Aber – wen überrascht es – erst nach unserem Anflug.

Mich – als Pilot Flying –  “rettet” nichts mehr, es sieht alles nach einer Premiere aus: noch nie hatte ich bei einer Landung mit dem Airbus 330 soviel Seitenwind! Unsere Nase zeigt denn auch mehr Richtung Central Park anstatt zur Piste, als wir im Final (“Endanflug” = die letzten Kilometer vor der Piste) sind. Der Wind schüttelt unseren Airbus 330-300 wie ein Laubblatt! In der Kabine übergeben sich die ersten Passagiere – von vielen, wie uns die Kabinencrew nachher bestätigt. Meine Augen leisten Höchstarbeit: Blick nach draussen auf die Piste, zum “Aiming-Point” (“Aufsetzpunkt”), nach innen auf die ILS-Informationen und dann wieder nach draussen. Zurück nach drinnen: Geschwindigkeits- und Schubanzeige. Und so weiter. Wir nähern uns der Höhe, wo die anderen eine Windshear-Warnung hatten. Wir sind vollständig konfiguriert und fliegen nur mit Flaps 3 an, damit das Flugzeug wendiger bleibt. Mein erster Anflug mit dieser Klappenstellung. Dadurch wird die Lage des Flugzeuges im Raum anders, weil die Flügelwölbung anders ist. Das führt dazu, dass der optische Eindruck, nachdem wir landen, anders wird. Die Geschwindigkeit sackt zusammen, wir sacken durch, aber nicht soviel, dass es zu einer Warnung kommt – alle Parameter sind im sicheren Bereich, meine Korrektur zeigt Wirkung. Weitere Passagiere füllen ihre Tüten. Ich kämpfe um die Parameter, die abzulaufen drohen. Ich “funktioniere” automatisch, ich habe keine Zeit nachzudenken. Wenig später sind wir über der Piste, nur noch wenige Höhenmeter bis zur Landung: ich reduziere den Schub, ziehe am Sidestick, trete in die linke Pedale um die Nase ein wenig in Pistenrichtung zu bringen und drücke den Sidestick nach rechts um den Flügel hängen zu lassen, sonst driften wir nach links über die Piste. Das alles passiert innerhalb weniger Sekunden in einer 180 Tonnen schweren Metallröhre, die mit 260 km/h, bei einem Seitenwind von über 50km/h mit über 210 Passagieren an Bord gegen den Boden fliegt… Wie war das mit der Multitaskingfähigkeit von Männern? Mit überbezahlten Piloten? Mit Managern, die Verantwortung tragen? Vielleicht sollte der eine oder andere noch einmal darüber nachdenken, nachdem er die Tüte gefüllt hat. Zehn Minuten später sind wir am Gate und mein Kollege hat die beiden Rolls-Royce Triebwerke abgestellt. Welcome to JFK, die rund 28 Stunden in der City of Blinding Lights habe ich mir mit viel Schweiss verdient!

Ausblick

Der Mai-Einsatzplan, der > HIER < heruntergeladen werden kann, ist ein Plan, wie ich ihn seit einem Jahr (und bisher vergeblich) wünsche: Eine grossartige Mischung zwischen Kurz- und Langstrecke. Ich habe 3 Tage Standby/Reserve, 21 Flüge in 11 Tagen mit dem Airbus 320 in Europa, darunter wieder (beim letzten Mal gab’s einen Startabbruch) eine Rotation mit einem “Upgrader” (ein Kollege, der in der Ausbilung zum Captain ist und daher von einem Captain auf dem dritten Sitz begleitet und beurteilt wird. Es wird sein “Final-Check” sein, der letzte Flug vor seiner Beförderung zum Captain. Eine besondere Ehre, als First Officer dabei zu sein!). In Europa werde ich zwei Mal in BCN (endlich – der Nightstop ist relativ neu, ich war noch nie dort!) und je einmal in LHR und GVA schlafen.  Hinzu kommen zwei Langstreckenflüge nach JFK (ich werde zwei gute Bekannte in die Ferien fliegen und hoffe jetzt schon, dass es dann auch ordentlich Wind hat ;-)).

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