Kurzstreckenjagd
June 4th, 2013 by G!“Grüezi, Crew Dispo, i hät no en Isatz für sie. Check-in i einere Stund, es gaht noch Wien und zrugg!”
Wowwwww. Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit, dass ich eine Stunde bevor mein letzter Tag des Reservemonats vorüber ist, einen Kurzstreckeneinsatz mit dem Airbus 340 bekomme. Darum war “Gas geh” angesagt: Uniform montieren, Firmenlaptop und Tablet zusammen- und einpacken und noch was kleines runterschlingen (denn wer weiss, wann und ob es was auf dem Flieger gibt – will heissen: ob ich auf so einem kurzen Flug Zeit zum Essen habe) und ab an den Flughafen. Da es Sonntag war, musste ich immerhin nicht nach einem Parkplatz suchen. Alles hat Vorteile. Was dann folgte war ein Backflash in vergangene Kurzstrecken-Airbus-320-Tage oder ein Ausflug in nff’s und skypointer’s Garten mit einem Airbus 340.
Check-in am Terminal im Operationscenter. Nicht vergessen die Informationen zu den Flughäfen rauszulassen, die wir auf der Langstrecke vom Dispatch bekommen. Erste Klippe erfolgreich umschifft. Ich habe noch ein paar Minuten. Gut so, die werde ich sicher brauchen. Planungsunterlagen abholen selber zusammenstellen: Wie war noch mal diese ungewohnte, viel zu lange vierstellige Flugnummer? Wo muss ich drücken? Refresh? Wo gibt man den Ausweichflughafen an? Print – aber wo kommt es raus? Ein mitleidiger Blick eines taufrischen Copis, der so jung aussah, dass ich über ein Facelifting nachdachte. Ich musste grinsen, denn wahrscheinlich habe ich “damals” die “alten Säcke” auch angeschaut, die hilflos jeden Knopf drücken und hoffen, dass es der richtige ist. Damals. Time’s running. Ich auch. Denn es fehlt noch das Wetter. Immerhin weiss ich, wie ich es zusammenstellen muss, das müssen wir auf der Langstrecke nämlich auch selber. War da nicht noch was? Ach ja, da fehlt noch ein Umschlag für die Planungsunterlagen. Die sind … ach ja, hier – loooogoooo, wo sonst?! Dann hätte ich wohl alles. Während ich den Firmenlaptop zum Synchronisieren in die Dockingstation stecke, taucht auch schon der Captain auf. Er fliegt und plant den Flug. Wie, so wenig Treibstoff? Ach ja, der Strich auf der Wetterkarte ist ja auch (wesentlich) kürzer als sonst. Kein Rechnungsfehler, sondern ein Kurzstreckenflug.
Wir haben ein Abflugszeitfenster, welches die halbe Flugdauer später als geplant ist und eine Verbesserung ist nicht möglich. Kurzstreckenprobleme. Irgendwann später: “Cleared for Take Off Runway 28.” Schön zu wissen, dass ein Airbus 340 auf der Piste 28 starten kann. Es folgen 387276 Frequenzwechsel in einer Stunde Gesamtflugzeit. Normalerweise habe ich mich nach einer Stunde Flugzeit erst mit dem Baliklachs der ersten Klasse beschäftigt. Das ist Wunschdenken, denn in dieser Flugstunde musste ich: Anflugwetter abhören, Pistenwechsel in den Navigationscomputer und auf dem Tablet-PC eingeben, ein klitzekleines Essen essen verschlingen, den Flieger für die Ansage des Captains übernehmen, die Infos zum Flughafen anschauen, Anflugbriefing des Captains zuhören, neues Anflugwetter bestellen und in den Computer eingeben. Alles was man auf einem Flug so macht. Aber schon lange nicht mehr in dieser kurzen Zeit – Zeit zum zurücklehnen? Weit gefehlt: “Swiss, direkt to GAMLI, for a GAMLI … Arrival, descend to…” Wir sind schon bei der Wiener Anflugskontrolle und fliegen in Kürze Wien an. Und jetzt käme auf der Langstrecke der zweite Gang.
Der Boden ist für unseren “dicken Vogel” vorbereitet, alles läuft einwandfrei. “Zu einwandfrei”, denn ich muss ja den Flieger schon wieder für den Rückflug vorbereiten. Davor noch das neuste Wetter für den Rückflug anschauen und die Treibstoffmenge bestätigen. Noch ein kurzer Schwatz mit dem Ladeverantwortlichen und der Flight Attendant, die rechnerisch tatsächlich meine Tochter sein könnte und dann gehts schon wieder mit der Checkliste los. Immerhin das ist “business as usual”.
Der Rückflug ist dieselbe Jagd in rückwärts, aber diesmal fliege ich und ich kriege sogar ein kurzstreckentypisches “Alufolienessen” mit dem Salat aus dem Plastikteller. What a shorthaul feeling. Essen muss sein, auch wenn’s nur ist, dass ich mir und dem Kollegen beweisen kann, dass man auf so einem kurzen Flug immer noch Zeit zum Essen hat :-). Alles runtergeschlungen und schon muss ich mein Anflugbriefing machen. Hm, “damals” lagen auf so kurzen Flügen ausser Essen noch Revisionen machen, schwatzen, flirten und Zeitung lesen drin. Daran ist jetzt nicht zu denken. Waren die Flüge schon damals so kurz oder bin ich langsamer geworden? Obwohl wir etwas schneller als ein Airbus 320 geflogen sind (der Flieger muss ja noch auf eine Nightban gefährdete Langstrecke!), glaube ich die Antwort zu kennen… Zeit für ein Foto mit einer Aussicht, die unseren Stress belohnt bleibt:
In der Region Friedrichshafen.
Wenig später setzte ich den federleichten Airbus 340 mit einem Schäppern (ja, es gibt “zu leichte” Flieger) auf der Piste 28 auf und danach ist mein Kurzstreckeneinsatz und damit der Reservemonat beendet. Der HetzKurzstreckenrhythmus war eine angenehme Abwechslung und hat trotz der mitleidigen Blicke des jungen Kollegen viel Spass gemacht. Ich weiss warum ich mich auf der Kurzstrecke so wohl gefühlt habe, bin aber nicht böse, dass mein nächster Flug rund elfmal länger sein wird :-). Ich hoffe aber sehnlichst, dass der nächste Flugabschnitt zwischen Wien und Zürich (nach über elf Stunden durchgemachter Nacht) ebenso kurzweilig sein wird…
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