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Flight Attendant – No tea, no coffee!

July 23rd, 2012 by G!

Flugbegleiterinnen (bei Mutti), Cabin Crew Members oder Flight Attendants (F/A), wie sie bei Swiss heissen, lösen viele Reaktionen aus. Wohl vorwiegend Männer reagieren (zumindest am Boden) durchaus positiv auf Frauen in entsprechenden Uniformen. Anders liessen sich sich der Kalender des hier nicht genannten irischen Billigfliegers, Kostüme in einschlägigen Läden oder mein älterer Beitrag hier nicht erklären. Darum geht es mir aber in diesem Beitrag nicht, sondern um die Funktion der Flight Attendants. Ich wollte schon lange einen Beitrag zu diesem Thema schreiben, da ich leider regelmässig erlebe, welch komplett falsches Bild vom Beruf “Flight Attendant” viele Leute haben. Das soll mit diesem Beitrag korrigiert werden.

 

“Chönned sie mir mal mitem Gepäck hälfe?” [Hochdeutsch: “Können sie mir mit dem Gepäck helfen?” ;-)] hören die Engel der Kabine desöftern. Warum um himmelswillen kommt ein 180cm-90kg-Mann auf die Idee, die zwanzig Zentimeter kleinere und halb so schwere Flight Attendant könne oder solle sein (mehr als die erlaubten acht Kilogram schweres) Handgepäck in die Gepäckablage hochstemmen, wenn es ihm selber zu schwer ist? Fakt ist, dass die Cabin Crew bereits während dem Einsteigen der Passagiere der Sicherheit an Bord verpflichet sind. Da gehört das Sicherstellen der Evakuation (siehe auch mein Beitrag hier, wo das SWISS-Flugzeug nach der Landung evakuiert wurde) oder aber später das sich Vergewissern, dass alle Gepäckstücke (richtig) verstaut und die Notausgänge frei sind. Stichwort Evakuation: sehr oft wird beim Boarding das Flugzeug noch betankt. Dass es dabei schnell zu einer Katastrophe kommen könnte, brauche ich nicht zu erwähnen. Erwähnenswert ist aber, dass ganz klar vorgegeben ist, wer beim Betanken in der Kabine wann wo zu stehen hat. Darum ist es keine “Ausrede”, wenn man hört, dass die F/A den Platz nicht verlassen könne. Es ist eine Sicherheitsmassnahme!

“Coffee or Tee? Chicken or Pasta?”. Viele machen sich über die “Serviceangestellten im Flugzeug” lustig. Jedem das seine, er verkennt aber vollends, dass dies einzig und allein eine Nebenbeschäftigung der Cabin Crew ist, die sie so lange ausüben werden, solange sie ihre Hauptaufgabe nicht davon abhält – denn auch während dem Flug kommt an erster Stelle “safety and security“. Wer sich über das “schlechte Essen” (in einer Metallröhre 39000 Fuss über dem Nordatlantik und zweieinhalb Stunden vom nächsten Flughafen entfernt, wofür man etwas mehr als für eine Zugfahrt ins nehegelgene Ausland bezahlt hat……) oder darüber, dass es keine Auswahl mehr hat, aufregt, soll sich doch mal über die folgenden Fälle Gedanken machen:

  • Feuer an Bord

Flugzeuge sind voller Elektronik, Kabel und Treibstoff. Ein solides Fundament für Feuer. Dazu kommt die Fracht oder das Gepäck der Passagiere. Aber das ist nicht alles: je mehr elektronische Geräte an Bord sind, desto grösser ist das Risiko, dass ein Brand ausbricht. Ein elektrischer Kurzschluss, ein überhitzter oder fehlerhafter Akku, ein eingeklemmtes Handy; ein fehlerhafter Ofen. Das alles hat schon zu Feuer im Flugzeug geführt. Selbst ein kleines Feuer oder ein Schmorbrand mit Rauch an Bord eines Flugzeuges ist eine sehr grosse Gefahr für die Sicherheit des ganzen Flugzeuges und damit für sämtliche Passagiere.
Flight Attendants sind ausgebildet um an Bord Feuer zu bekämpfen. 


  • Ein Zwischenfall mit Chemikalien (“dangerous goods”)
Regelmässig werden Gefahrengüter in Flugzeugen transportiert. Darunter gehören nicht nur (lebende) Tiere, sondern auch Chemikalien aller Art, Munition, Sprays, Gase etc. Einfach alles, das an Bord eine Gefahr darstellen kann – und das ist vieles! Gewisse Gefahrengüter (zB. Feuerzeuge, Akku des Computers) sind in der Kabine oder “auf Mann” im Flugzeug erlaubt, wobei das je nach Airline unterschiedlich sein kann. Falls es zu einem Zwischenfall mit Gefahrengütern – darunter kann auch eine unbekannte Substanz fallen, die zB. die Atemwege reizt – kommt, muss schnell und gezielt vorgegangen werden. Wiederum ist unter Umständen die Gesundheit von hunderten Menschen in Gefahr.
Flight Attendants sind ausgebildet um Massnahmen bei solchen Zwischenfällen zu ergreifen und damit Menschenleben zu schützen.


  • Medizinische Notfälle

Täglich fliegende tausende Menschen mit Swiss. Medizinisch kommt alles vor: vom Passagier mit Ohren- oder Kopfschmerzen (weil er mit verstopften Stirn- und Nasenhöhlen fliegt, was ich niemandem empfehle!), über den Passagier mit Nasenbluten und dem dehydrierten oder unterzuckerten, der deswegen bewusstlos wird, bis hin zum Herzstillstand /-infarkt. Das alles kommt an Bord von Flugzeugen (meiner Meinung nach verhältnismässig oft!) vor (siehe auch den spannenden Beitrag von Kollege skypointer). Oft, aber nicht immer ist ein Arzt an Bord, der die Behandlung übernehmen kann. Dann ist es wiederum die Cabin Crew, welche den medizinischen Notfall betreuen muss. So hat eine Bekannte von mir einen Passagier mit Herzstillstand in der Bordküche am Boden erfolgreich wiederbelebt … und ihm damit wohl das Leben gerettet, denn Puls hatte er keinen mehr. Arzt war keiner an Bord.
Fight Attendants kennen sich nicht nur mit den Medikamenten an Bord aus, sondern sind für lebensrettende Sofortmassnahmen wie Herzmassage ausgebildet.

 

Es gäbe noch mehrere (in der Realität vorkommende!) Beispiele. Aber ich hoffe, dass Leser dieses Beitrages die Flight Attendants mit andern Augen sehen – und verstehen, dass an erster Stelle Sicherheit und nicht die Verpflegung der Passagiere steht! Nicht nur im Sinne von zwischenmenschlichen Umgangsformen wäre es angebracht, den Damen und Herren, die in der Kabine als Flight Attendant arbeiten, Respekt und Höflichkeit entgegenzubringen, sondern aus purem Egoismus:

Dieselbe Person, die jetzt noch “Tea or Coffee” anbietet und leider kein “Chicken” mehr in der Auswahl hat, könnte in den nächsten Minuten ihr (einziger!) Lebensretter sein!!!

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LX92 – Die Nacht der zwei Notfälle

March 1st, 2012 by G!

22:22 Z

– FL260 (26000 Fuss), steigend auf FL310
– Groundspeed (Geschwindigkeit gegenüber dem Boden) 479kts
– Fuel used (verbrauchter Treibstoff) 6500kg

Wir überfliegen die Villa des siebenfachen Formel 1 Weltmeisters Michael Schumacher und ich geniesse die grossartige Nachtkulisse von Genf, die von keinem einzigen Wölkchen gestört wird. Mein Kollege ist mit der Eingabe der Streckenwinde beschäftigt. Dies müssen wir noch manuell erledigen, aber nicht mehr lange. Die neuesten beiden Airbus 330-300, die dieses Jahr zu unserer Flotte gestossen sind, können diese Daten downloaden. Bald ist dies auch mit den anderen Flugzeugen möglich.

 

22:29 Z

– FL310
– Mach 0.80

Wir haben unsere erste Reiseflughöhe erreicht und ich drücke den Knopf für die Geschwindigkeit und übergebe damit dem Computer die Geschwindigkeitswahl. Der rosa Zeiger, der mir die Zielgeschwindigkeit anzeigt, springt auf Mach 0.80. Wir werden – so zeigt es unser Navigationscomputer – pünktlich landen, daher fliegen wir wie von LX gewünscht, möglichst ökonomisch. Treibstoff ist Geld. Unter uns liegt Lyon. Mein Kollege füttert den Computer unermüdlich mit Wind- und Temperatureingaben, damit der Computer möglichst genau die ökonomiste Flughöhe und -geschwindigkeit berechnen kann.

 

23:03 Z

– Pau liegt hinter, die Pyrenäen vor uns

Da wir in der First Class “full house”, also acht Passagiere haben, müssen wir uns gedulden bis unser Essen serviert wird. Es klingelt an der FlugzeugCockpittüre. Die First Class Flight Attendant, von der unser direktes (und damit direkt auch ihres…) Wohlergehen abhängt, lächelt in die Kamera. Essenszeit. Sie bring die ersten Vorspeisen für meinen Kollegen. Als dieser vor einer guten halben Stunde die Winde eingegeben hat, habe ich mich durch das neue First Class Menu gelesen. Eben erst hat der Menuzyklus gewechselt. Für die nächsten drei Monate wird unser Gaumen von Frank Oerthle, Chef der “Galerie Arté al Lago” im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano, verwöhnt.  Er wurde mit einem Michelin Stern und 16 Gault Millau Punkten ausgezeichnet. Dementsprechend freue ich mich auf das Essen, muss aber noch warten, da wir aus Sicherheitsgründen immer nacheinander essen. Damit mir das Wasser im Mund nicht zu sehr zusammenläuft, lenke ich mich ab und überprüfe die gerechneten Werte: der optimale FL ist 320, wir sind auf 310, bestens. Die voraussichtliche Ankunftszeit wird um 09:46 Z sein, sehr gut.

 

01:43 Z

– FL340
SAT (Aussentemperatur) -50 Grad
– Temperatur in Las Palmas 15 Grad

Unter uns strahlen Gran Canaria und Las Palmas. Bald wären wir nicht soweit gekommen. Alles lief bestens. Nach der Vorspeise des Kapitäns wurde ich verhätschelt und genoss den ersten (Hummer-Kokosnuss-Bällchen mit Muschel-Tintenfisch-Salat und Zitronengras-Pannacotta mit Curymousse, dazu ein Tessiner Farina-bona-Cracker), zweiten (Tessiner Bresaola, San Pietro Schinken und Salami), den dritten (Baby-Blattsalat mit getrockneten Aprikosen und gehobeltem Schweizer Sbrinz) Gang und anschliessend die sehr gute Hauptspeise (Lammlende mit Taggia-Oliven-Kruste, Fromaggini Rosmarinkartoffeln und Bohnen mit Rosinen). Ich besiegte meinen inneren Schweinehund in einem mühsamen Kampf und bestellte keinen der wohlklingenden KalorienbombenDesserts. Der nächste Badehosensommer kommt bestimmt und wenig gegessen habe ich ja auch nicht gerade. Ich bestelle nur einen Nėspresso Lungo. Normal Ops wie man sich das wünscht. Aber Notfälle in der Fliegerei kommen meistens aus dem nichts und schlagen dann wie eine Bombe ein. So auch in diesem Fall. Das Flight Attendant lässt die Bombe platzen: “Ihr wisst, dass die Kaffeemaschinen kaputt sind? Es gibt also keinen Nėspresso, nur den normalen Kaffee…!” … … … 3 x leer schlucken … Master Warning – Power – Performance, oh Gott. ICH habe die Arschkarte schlechteste Schicht (ich muss rund sieben Stunden durchhalten) und es gibt KEINEN Néspresso?! Eine Welt bricht zusammen. Wie soll ich das überleben? Im meiner Panikattacke höre ich den Kapitän sagen: “Ah ja, die waren im Aircraftlog eingeschrieben…” Haaaallooo, und warum bitteschön sagte er mir das nicht? Genau für solche Fälle ist der Punkt “Aircraftlog” in der Checkliste doch?! Dass die Flügel und Räder dran waren, habe ich selber gesehen, aber KEINE Néspressomaschine? Langsam dämmert mir es, warum er in gröbster Pflicht- und Kameradschaftsverletzung nichts gesagt hat: er hat gehahnt, dass ich (und der andere Copi) wohl SO nicht abgeflogen wären. No Néspresso, no Flight! Ein gemeiner Hinterhalt. Fies.
Der erste Schock lässt nach und dank dem Power-Performance-Drill bin ich wieder im BootFlugzeug. Für Notfälle werden wir Piloten geschult. Erst dann zeigt sich, wer vorbereitet ist, die Notlage meistern kann und einen Plan B bereit hält. So auch ich: ein Griff in meinen Crewbag. Das schwarze Etui, dessen Inhalt für diverse (mögliche und unmögliche) Situationen wie diese zusammengestellt wurde, in der Hand, lächle ich. Ein weiterer Griff und in meiner Hand halte ich einen meiner Koffeinüberlebensäcklis: Starbucks Via. God bless America and Starbucks. Problem und Notfall 1 gelöst. Wir können weiterfliegen.

 

02:34 Z

– FL 340
– 63kts Gegenwind

Erste Wachtablösung. Der Kapitän darf sich in den Crewbunk verabschieden, während sein Stellvertreter, der “Cruise Relieve Pilot” sich auf dem linken Sitz in Zeitlupe installiert. Wer um 03:34 Schweizer Zeit geweckt wird, ist anfänglich bereits bei Zeitlupentempo am Limit. Bis er up-2-date und richtig ansprechbar ist, ist “all mine”: ich fliege und und assistiere mir selbst (so erübrigen sich Reklamationen…). One man show. Unsere Ankunftszeit ist jetzt 09:44 Z und wir haben noch 3221 Nautische Meilen vor uns. Für mich gilt es noch genau drei Stunden und fünfundzwanzig Minuten durchzuhalten. Mit Starbucks und Coke Light, God bless America!

 

03:33 Z

– Position CVS (nicht die US-amerikanische Kette, sondern das VOR von Sal auf den kapverdischen Inseln)
– Fuelcheck: wir haben 400kg auf die geplante Rechnung verloren, aber der an der Destinstion erwartete, übrige Treibstof (EFOB) ist ok.
– verbrauchter Treibstoff: 46000 kg

Ich schaue auf die Uhr, 3:33. Beim Anblick spielt U2 in meinem Kopf “Unknown Caller“: “3:33, when the numbers fell of the clockface…”. Der Soundtrack meines Nachtfluges. Die Nummern könnten für meinen Geschmack ruhig etwas schneller fallen, aber um diese Zeit verstehe ich, dass auch sie langsamer sind.

 

04:02 Z

Zeit für einen verspäteten Mitternachtssnack oder ein Vorfrühstück. Im First Class Galley mixe ich mir meinen persönlichen Wachmacher: 20 Spritzer Tabasco, 3 Pfeffermühlenumdrehungen und ein Beutel Knorr Tomatensuppe. Wirkt Wunder, während mein Kollege mit Dakar einen neue Flughöhe aushandelt.

 

04:21 Z

Beschäftigungstherapie im Kampf gegen die nächtliche Monotonie und Müdigkeit – ich nehme mir das Einreiseformular zu Brust. Ausser dem Namen kann ich aber nichts ausfüllen, da es zu Schütteln beginnt. Murphy ist dabei.

 

05:51 Z

– FL360
– Gewicht 210 Tonnen
– Nächster Ausweichflughafen: SBNT

Eine Flight Attendant hat uns besucht. Nach dem obligaten Firmenklatsch erzählt sie uns, dass sie Skilehrerin in St.Moritz ist und daher schon den einen oder anderen Promi unterrichtet hätte. Aus zensurtechnischen und persönlichkeitsrechtlichen Gründen verzichte ich an dieser Stelle auf eine Wiedergabe von Namen und Stories dazu, obwohl es einige interessante Geschichten gäbe ;-). Back to business, wir melden uns gleich bei “Atlantico” an und auf der grössten Einstellung (320NM) des Navigationsdisplays erscheint meine Erlösung: (0559). Das ist die Zeit, wo ich meinen Kollegen wecken kann und meine Schicht wenige Minuten später aufhört. Alles hat ein Ende, manchmal einfach etwas spät.

 

05:26 Z

Statt – wie ich mir das vorgestellt habe – meine Schicht locker ausklingen zu lassen, geht sie erst richtig los, denn vor uns zeichnet der Wetterradar (früher als erwartet) eine Gewitterfront ab. Zeit einen Plan zurechtzulegen:

 

05:59 Z

Seit einer guten halbem Stunde bin ich am feinjustieren des Wetterradars, interpretiere mit meinem Kollegen die Echos und umfliege sie mal rechts, mal links. Unsere über zweihundert Passagiere bekommen davon nichts mit, die meisten schlafen oder schauen TV. Zeit für meinen Kollegen aufzustehen, ich klingle ihn aus den Träumen.

 

09:06 Z

Nach knapp drei Stunden mehr oder wenig erholsamen und sändig unterbrochenem Schlaf erwache ich langsam, sehr langsam. Je mehr ich zu mir komme – was nicht schnell geht, wenn man nach einer durchgemachten Nacht von sieben bis zehn Uhr Schweizer Zeit schlafen kann – desto mehr wird mir klar, in welcher Gefahr ich mich befinde! Ein Druck, der nichts gutes verheisst. Schlagartig bin ich wach. Nicht Druck in den Ohren, sondern weiter unten. Die Blase. Die mehr als halb geleerte Wasserflasche, mehrere Coke Light, die Suppe und die Kaffees melden sich mit Pauken und Trompeten zurück. Ich krieche irgendwie aus dem Bett hervor und konzentriere mich darauf, dem Ruf der Natur nicht sofort nachgeben zu müssen. Nicht hilfreich dabei ist, dass ich mich noch anziehen muss, um auf die Toilette gehen zu können. Schliesslich will man einem First Class Passagier, der für seinen Flug nach GRU wesentlich mehr als einen Schweizer Durchschnittsmonatslohn bezahlt nicht einen halbtoten und vor allem halbnackten First Officer zumuten. Zu Recht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht winde ich mich und kämpfe mich in die Uniform und ziehe mir die Schuhe an. Bücken ist auch nicht wirklich hilfreich, wie man sich vorstellen kann. No Pain, no Gain, ich habe es geschafft! Ich reisse die Tür auf und genau in dem Moment, als ich aus der Tür trete, passiert der zweite Notafll des Tages, ein Super-Gau: nein liebe Leser, natürlich hatte ich meine Blase noch unter Kontrolle … aber durch den Vorhang tritt ein First Class Passagier im Swiss First Class Pyjama und seinen Kleidern auf dem Arm. Das bedeutet, dass er sich umzieht und frisch macht. Genau jetzt! Erfahrungsgemäss dauert das bei Männern mindestens drei, bei Frauen ab fünfzig bis unendlich Minuten. Schmerzverzehrt kehre ich in den Bunk zurück und räume auf. Ablenkungsmanöver und bloooooss nicht daran denken. Immer wieder der hoffnungsvolle Blick aus der Türe, immer wieder sehe ich rot – occupied! Ein Kampf Mann gegen die Natur.

Ich kürze ab: Ich gewinne (glücklicherweise;-) ), denn der Passagier kommt nach gefühlten 37, realen 3 Minuten erfrischt und in seinen Kleidern aus dem Klo. Ich lächle (schmerzverzerrt…), begrüsse ihn und bin froh, als ich die Türe hinter mir schliesse. Glück gehabt, auch den zweiten Notfall ohne Schaden überstanden. Ende gut, alles gut!

 

Epilog – 09:45 Z

Nach der Landung (man beachte, wie genau die Vorhersage unseres Computers war!) rollen wir Richtung Gate, als wir vom Boden die Anweisung bekommen, dass wir rund fünf Minuten warten müssten, bis unser Gate frei sei. Der Captain teilt dies den Passagieren mit und weist sie darauf hin, dass sie sitzen bleiben müssten. “Meint ihr, die haben uns verstanden und bleiben sitzen?” schaut er uns fragend ein. Noch bevor wir antworten können, hören wir eine Durchsage in der Kabine: “Sir, please take your seat!”…

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Übergewicht Teil II (Operation)

April 3rd, 2011 by G!

Im ersten Teil “Übergewicht Teil I (Technik)” habe ich die technischen Voraussetzungen besprochen. Nun möchte ich wie angekündigt, zwei operationelle Problembereiche näher betrachten.

Zeitdruck

Bei einem auftretenden Problem stellt sich zunächst immer die Frage nach der Zeit oder besser nach dem Zeitdruck. Geht es dem Passagier nur schlecht oder benötigt er umgehend ärztliche Betreuung, damit er nicht stirbt? Handelt es sich um einen “gewöhnlichen” Triebwerksausfall oder brennt es? Konnte das Feuer im Triebwerk gelöscht werden oder brennt es noch? Verlieren wir Treibstoff? Geht von einem “unruly Passagier” noch Gefahr für andere Passagiere oder die Crew aus? Haben wir Rauch im Cockpit? Haben wir zwar ein technisches Problem, das den Weiterflug an die Destination verunmöglicht, sonst aber keine Gefahr für die Sicherheit besteht? usw.

Ein Beispiel für die letzte Frage wäre, wenn man auf dem Flug nach JNB nach dem Start die Flaps- und Slats (Start- und Landeklappen) nicht einfahren kann. Fliegerisch ist das kein Problem, das Flugzeug fliegt bestens und lässt sich problemlos steuern. Ein Weiterflug an die Destination ist aber technisch und operationell (Treibstoffverbrauch) ausgeschlossen. Fazit: Keine Gefahr für die Sicherheit, keine Eile aber eine Rückkehr. Darum stellt sich die Frage, ob man mit einem Overweight Landing Procedure (sofort) zurück oder ob man sich die Zeit nehmen und Treibstoff ablassen soll. Ein besonderes Procedure wie das Overweight Landing Procedure, das für einen Notfall gedacht ist, hat immer auch ein Restrisiko (z.B. heisse Bremsen, die zu einem Brand führen könnten…). Darum ist man vielleicht besser bedient, wenn man das Landegewicht so weit wie möglich und sinnvoll reduziert. Schliesslich fliegt das Flugzeug und es besteht keine Gefahr.

Ganz anders sieht die Beurteilung “Zeitdruck?” aus, wenn man einen Vogelschlag hat und infolge dessen ein Triebwerk verliert und möglicherweise noch mehr Triebwerke betroffen sein könnten bzw. sind oder wenn Feuer und/oder Rauch im Spiel sind. Dann besteht die Möglichkeit, dass das Flugzeug nicht mehr fliegbar bar wird und man muss möglichst schnell wieder landen.

Wenn man sich entschlossen hat (wann auch immer) wieder zu landen, wird die nächste Frage aktuell:

Landedistanz

Wie sieht es mit der Landedistanz aus? Oder in der Langversion: Wie lang ist beim derzeitigen Gewicht mit den aktuellen Bedingungen am beabsichtigten Landeort (Wetter, Pistenzustand, Höhe des Flughafens, Windverhältnisse) die benötigte Landedistanz? Wieviel “Reserve” macht Sinn?

Die Flugzeuge von Airbus sind bekannt für ihre sehr guten Landeeigenschaften. Sie benötigen verhältnismässig wenig Landedistanz um das Flugzeug zum stehen zu bringen. Daher ist die Landedistanz unter normalen Bedingungen oft kein Problem. Kommt es aber zu (mehrfachen) technischen Problemen, kann die benötigte Landedistanz sehr schnell sehr gross werden. Kommen dann noch ein hohes Gewicht und schlechte Pistenverhältnisse (Regen, stehendes Wasser, Schnee oder Eis) hinzu, verlängern diese Faktoren die benötigte Landedistanz nicht unwesentlich.

Ein aktuelles Beispiel: Beim Quantas Flug QF32 mit einem Airbus 380, der in Singapur einen Engine Failure (Triebwerksausfall) hatte, wurden durch das zerstörte Triebwerk diverse andere Flugzeugsysteme in Mitleidenschaft gezogen. Dies führte dazu, dass die ersten Rechnungen mit dem Computer ergaben, dass der A380 unter den aktuellen Umständen auf der 4000 Meter langen Piste (!) nicht zum stehen kommen würde, obwohl man mit dem Ablassen von Treibstoff begonnen hatte (und zudem Treibstoff über ein Leck verlor!).

Was die QF-Piloten der A380 zu diesem Zwischenfall sagen, kann bei Pilots of Swiss angeschaut werden.

Last but not least

Irgendwann kann der Fall eintreten, wo das Kriterium “Zeitdruck” das Kriterium “Landedistanz” hinfällig macht, weil man – vereinfacht gesagt – einfach landen muss, weil es nicht mehr (lange) fliegt, sei es, weil ein Feuer nicht gelöscht werden kann, weil die verbleibenden Triebwerke zu versagen drohen oder wenn der Rauch im Cockpit die Sicht auf die Instrumente versagt usw. Bis dahin müssen die Piloten möglichst gute Voraussetzungen schaffen, damit innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit die besten Voraussetzungen für die Landung geschaffen werden.

DIE richtige Lösung gibt es nie. Es müssen (oft unter Zeitruck) möglichst alle bekannten (und möglichen) Faktoren in die Entscheidfindung miteinbezogen werden, um eine Nutzen-Gefahren-Analyse zu machen. Das ist der Auftrag der Cockpitcrew. Dass nach so einem Fall alle (ernsthaften und “möchte-gern”) Experten ihr Urteil dazu geben, gehört (leider) dazu. Es ist eine Sache, im technisch defekten Flugzeug unter Zeitdruck eine Entscheidung mit diversen unbekannten Variablen zu treffen und diese umzusetzen. Es ist aber eine andere Sache, am Boden, ohne Zeitdruck und in Kenntnis sämtlicher (vorher unbekannten) Faktoren eine (vermeintlich) “bessere” Entscheidung zu treffen. Das ist leider ein Zeichen er Zeit: Nach jedem Börsencrash weiss schliesslich auch jeder, warum es dazu gekommen ist, aber niemand wusste vorher, dass es dazu kommt…

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