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Frohe Weihnachten! (im Nebel)

December 19th, 2013 by G!

Wenn ich derzeit im Raum Flughafen aus dem Fenster schaue, sehe ich meistens dasselbe Bild: Sonne Schnee Nebel. Grau in Grau halt:

nebel

 

“Der” Nebel, also quasi die Mutter aller Nebel, wird im Flugwetter “FG” (vom englischen: Fog) abgekürzt. Fliegerisch ist Nebel aber bei weitem nicht Nebel, denn der Meteologe – und damit zwangsläufig auch wir Piloten – mehrere Nebelarten. Wieviel, wurde mir kürzlich wieder bewusst, als wir das Wetter für Zürich studierten, wo es ein Meteorloge (wie üblich für Zürich) sehr genau nahm:

TAF ZRH

 

Was noch als schönes und klares Herbstwetter anfängt, wird irgendwann Nachts zwischen drei und vier Uhr UTC (im Winter +1h = Lokalzeit ZRH) zu MIFG mit einer Sicht von 3000 Metern. Was man umgangssprachlich “mini-Fog” nennen kann, ist offiziell “shallow fog“. Das ist tiefliegender Nebel, der definitionsgemäss bis maximal 180 cm Höhe reichen darf. Darüber darf er die Sicht nicht mehr beeinträchtigen. Das bedeutet, dass MIFG damit meistens dann vorkommt, wenn sich Strahlungsnebel bildet. Man kennt das von Feldern und Wiesen. wo sich tiefliegende Nebelschwaden bilden und schöne Stimmungsbilder abgeben.

Eine gute Stunde später wird aus MIFG der BCFG und die Sicht sinkt weiter auf 1500 Meter. BCFG steht für fog “patches”, also Nebelfetzen, die sich nicht zu einem grossen durchgehenden Nebel formen. Das sieht man desöftern zB. beim Autofahren, wenn man immer wieder in einzelne Nebel”felder” reinfährt.  Zwischen sechs und neun Uhr erwartet der Meteorloge dann eine Reduktion der Sicht auf 500 Meter mit der dritten Nebelart: PRFG. PR steht für “partial” (=teilweise) . Das bedeutet, dass es zwar “richtigen” Nebel hat, dieser aber nicht den ganzen Flughafen umfasst. Weil es ziemlich kalt werden wird, erwartet Herr Meteorloge, dass es wahrscheinlich zwischen sechs und acht Uhr sogar noch FZFG – freezing fog geben wird. Also gefrierender Nebel. Dies mit einer Sicht von nur gerade 200 Metern. Im Laufe des Vormittags wirds wieder besser und die Sicht steigt auf 1000 Meter mit BCFG. Gegen Mittag sollte der Nebel weg sein, aber nicht lange. Bereits um acht Uhr abends bildet sich wieder MIFG, der noch vor Mitternacht zu BCFG und danach wieder zu FZFG wird. Am Morgen danach ist dann mit dem altbekannten BCFG zu rechnen.

Alles klar oder sieht jemand vor lauter Nebel den Nebel nicht mehr? Da die Bildung und Auflösung von Nebel ist von sehr vielen Faktoren abängig und daher oft nur sehr unzuverlässig vorhersehbar ist, sind solche Wetterprognosen insbesondere im Hinblick auf die Zeitfenster, in denen sie auftreten sollten, mit der entsprechenden Vorsicht zu geniessen. Auch Erfahrung kann einem nur sehr bedingt weiterhelfen, denn was gestern zu Nebel führte, kann heute trotzdem zu schönem Wetter werden.

Fliegerisch können diese Nebelarten zu paradoxen Situationen führen: So kann MIFG dazu führen, dass man alles sieht, aber die Piste “grau” ist. Wenn der MIFG nicht zu dicht ist, damit die Piste bzw. die Beleuchtung sichtbar bleibt, ist eine gewöhnliche Landung möglich. Leichter Nebel kann auch durch Flugzeuge verweht und verwirbelt werden. Wenn BCFG oder PRFG am “falschen Ort” zB. in der Landezone liegt, kann trotz “schönem Wetter” eine automatische Landung nötig sein. Das wiederum führt zu erhöhten Landeabständen und anderen Verfahren (luft- und bodenseitig), zu sogenannten “Low Visibility Procedures”.

Fotos mit Nebel erzeugen sehr oft eine schöne Stimmung. So war es auch bei einem kürzlichen Anflug der Fall, wo es ein zur Jahreszeit passendes Sujet gab! Ich wünsche allen Lesern

FROHE WEIHNACHTEN:

Anflug Xmas

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Der Schein trügt

December 15th, 2011 by G!

Kollege nff hat ja in seinen Beiträgen ausführlich über schlechtes Herbst Winterwetter berichtet und der nächste Sturm scheint schon wieder anzurollen. Bei meinem letzten Flug erwartete uns bei der Ankunft aus LAX folgendes, sehr harmloses, Zürcher ATIS (Flughafenwetter):

LDG RWY 14 ILS APCH, Wind 160/9, visibility 10km or more, Touchdownzone 10km or more, clouds few 6000 ft bkn 7500ft NOSIG

Uns erwartet ein Anflug auf die Piste 14 bei Wind aus Richtung 160 (also quasi Pistenrichtung) mit einer Stärke von 9 Knoten (ca. 16km/h). Die Sicht, auch in der Landezone, beträgt über 10km (das ist das Maximum, das angegeben wird). Der Himmel ist auf 6000 Fuss über Grund 1-2/8 und auf 7500 Fuss über Grund 5-7/8 bedeckt.
 

Airmet: Mod Turb fcst alps and N of alps btn sfc and FL 150 stnr nc

Es werden moderate Turbulenzen in nördlichder Alpen vom Boden bis auf 15’000 Fuss vorhergesagt. Das ganze bleibt stationär und es wird kein Wechsel erwartet.
 

Die Landung aus der Stadt der Engel war wie üblich am Nachmittag in ZRH vorgesehen. Die Planungsgötter wiesen mir für den Flug das “V” zu, was bedeutet, dass ich eine lange Nachtschicht vor mir hatte: Ich startete unseren Airbus 340-300 um 0445 Uhr Lokalzeit ZRH und wurde als letzter um 1155 Uhr Lokalzeit ZRH abgelöst und durfte damit die Landung auf dem Jumpseat mitverfolgen. Ein Blick in die Planungsunterlagen verriet uns starke Westwinde für den ganzen Flug, was eine sehr kurze Flugzeit von nur gerade 10:15 Stunden (sic!) bedeutete (am Tag unseres Abfluges hatten die Kollegen nach JFK neun Stunden Flugzeit…)! Zürich hatte zwar starke Westwinde mit Böen vorhergesagt, aber erst nach unserer Landung. Das hinderte uns nicht, unsere Treibstoffplanung auf böiges Wetter und einen Anflug auf die Piste 28 auszurichten, zumal andere Flughäfen die Westwinde früher prognostiziert hatten. So fiel auch beim Eingeben der Winde in den Computer auf, dass auch für den Sinkflug durchwegs und bis in tiefe Höhen (starker) Westwind vorhergesagt war. Nachdem wir Paris überquert hatten und ich halb tot verschlafen ins Cockpit trat, hatten wir denn noch über 150 km/h Westwind. Umso mehr überraschte mich das oben erwähnte ATIS von ZRH, denn dieses stellte, für sich allein betrachtet, fliegerisch überhaupt kein Problem dar: am Boden wenig Wind und das erst noch in Form von Gegenwind aus der Pistenrichtung (in Zürich ist das sehr oft nicht der Fall). Auch die Sicht und Wolkenuntergrenze problemlos. Liest sich wie ein schöner, problemloser 08/15-Anflug, der uns da erwartet. Piece of cake, wie die Amerikaner sagen würden. Aber ein Blick auf das Airmet verrät, dass die starken Winde auch in der Schweiz noch wehen, sonst käme es nicht zu den Turbulenzen in der beschriebenen Art. Wir waren kritisch, denn aufgrund sämtlicher uns zur Verfügung stehender Informationen mussten wir trotz des harmlosen ATIS davon ausgehen, dass der Anflug nicht ganz einfach werden dürfte. Und ich freute mich, dass ich meine Kollegen aus dem Logenplatz, dem Jumpseat, beobachten durfte *grins*.

Es fing alles mit (zu) hervorragenden Radarvektoren des TWR Mädel’schen Kollegen an die, in Verbindung mit dem Rückenwind, der uns mit zusätzlichen 100km/h von Basel Richtung Osten schob, dazu führten, dass wir zusätzliche Distanz (Trackmiles) benötigten, um den schweren A340 zum Absinken zu bringen. Als wir die Freigabe bekamen, auf den Leitstrahl des Instrumentenlandesystems (ILS) einzubiegen, hatten wir noch immer knapp 100km/h Wind aus Westen!

Auf der ILS, horizontal und vertikal stabilisiert, ergab sichvom dritten Sitz aus folgendes Bild, welches genau in der Flugzeuglängsachse aufgenommen wurde (leider unscharf wegen der Turbulenzen):

… und mit Erklärungen:

1) Unsere Landepiste 14 (und damit unsere Flugrichtung, wo unser Flugvektor hinzeigt!)

2) Die Richtung der Flugzeuglängsachse/-nase

3) Windanzeige (Seitenwind von rechts, irgendwas über 30kt; darum zeigt die Nase nach rechts, der Flugweg aber nach links)

4) Anzeige auf dem Navigationsdisplay, die das Bild auf dem Fenster und die Punkte 1) – 3) darstellt:

– Das gelbe Flugzeug zeigt unser Flugzeug und zeigt die Flugzeugachse (2).

– Der grüne Strich ist die Flugrichtung, die Richtung Piste 14 (1) zeigt

– Die Kompassrose oben am Navigationsdisplay und unterhalb des Horizonts zeigt, dass die Differenz zwischen Flugzeugachse (2) und Flugrichtung (1) rund 15° beträgt!

In der Folge nahm der Wind sogar noch zu: 5.8 nautische Meilen vor der Landung, und damit in rund 600m Flughöhe, las ich auf dem Navigationsdisplay 45kt (ca. 83km/h) ab. Die Windschwankungen verlangten dem Captain, der Pilot Flying war, alles ab und es hat wohl nicht viel gefehlt, dann hätte unser Windshear-Warnungssystem angesprochen, denn am Boden war der Wind wie im ATIS und vom Tower angegeben! Bei einer Windshear-Warnung wären die Kollegen zeitverzugslos durchgestartet. Wir blieben aber innerhalb der Toleranzen und ein Durchstart blieb uns erspart, weshalb mein Kollege den Airbus nach 10:20 Stunden Flug durch die Nacht und einem schweisstreibenden Kampf gegen die Elemente sicher auf der Piste 14. 08/15-Anflug? Der Schein trügt.

Als ich später am Lichtsignal wartete, startet ein Flugzeug über mir durch…

 

Nachtrag aufgrund von Kommentaren im Blog und auf Google+: 

Ich habe mich offenbar nicht klar ausgedrückt: Die Wetterangabe im ATIS war nicht falsch, denn am Boden war der Wind wie gemeldet (ATIS und vom Tower bei der Landefreigabe). Nur gilt das ATIS eben (nur) am Boden und wir kommen aus der Luft… Das einzige was noch ins ATIS gehört, wären allfällige Windshears. Ich gehe aber davon aus, dass es diese vorher nicht gab oder allenfalls nicht gemeldet wurden (beides ist möglich, am Nachmittag als wir ankamen, waren wir noch bei den ersten anfliegenden Flugzeugen). Andernfalls hätte uns der Tower bei der Landefreigabe sicher informiert (und es wäre später ins ATIS aufgenommen worden, falls sie immer noch vorhanden waren). Mein Kollege hat sie auf jeden Fall gemeldet.

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Luftfahrtgeschichte

November 22nd, 2010 by G!

Die einzige lesbare grosse Schweizer Tageszeitung berichtete in ihrer Wochenendausgabe vom ersten satellitengestützten Anflug eines Swiss Airbus auf Kloten. “Es war ein kleines Luftfahrt-historisches Ereignis“, als Mitte November ein SWISS Airbus ohne Passagiere satellitengestützt “gelandet” ist:

Ein solcher Anflug heisst im Fachjargon “RNAV/GPS”-Anflug (Area Navigation/Global Positioning System). Dabei bedarf es keiner Anflughilfen-Installation am Boden mehr, sondern (vereinfacht gesagt) nur noch Satellitenempfang. Zentral ist, dass es sich um einen “Anflug” und nicht um eine “Landung” handelt. Denn im Gegensatz zu einem automatischen Anflug bzw. einer Landung mit einem Instrumentenlandesystem (ILS), bei dem das Flugzeug mit den Autopiloten die Landung im Nebel selber ausführen kann, ist das beim RNAV/GPS-Anflug (noch?) nicht möglich. Der Autopilot muss auf der vorgegebenen Mindesthöhe ausgeschaltet und die Landung vom fliegenden Piloten manuell durchgeführt werden.

Das “kleine luftfahrthistorische Ereignis” bedarf (leider) auch einer Relativierung: Die ganze SWISS Airbusflotte ist seit 2008 für solche Anflüge zugelassen und ich selber hatte im November 2007 die entsprechende Ausbildung, um diese Anflüge durchführen zu dürfen. Luftfahrthistorisch “bedeutsam” ist der Anflug bestenfalls für die Schweiz, denn obwohl die Schweiz für ihre Bücklingspolitik Politik des vorauseilenden Gehorsams bekannt ist, liegt sie in diesem Fall (wenn auch systembedingt) sehr weit, sogar weit hinter den Entwicklungsländern, zurück. Gerade in Afrika gehören RNAV/GPS-Anflüge zum Standard. Wetter- und infrastrukturbedingt waren und sind die Anflughilfen in Afrika nämlich nicht wirklich zuverlässig. Ausfälle einzelner Systeme gehören zum Alltag. Durch die wie gesagt unabhängig von Bodeninstallationen möglichen GPS-Anflüge spielen diese Ausfälle (sofern sie nicht die Pistenbeleuchtung betreffen) keine Rolle mehr.

Ausser der Zertifizierung des Flugzeuges und der Crew bedarf es neben GPS-Empfang nur noch (wie übrigens bei jedem Anflug!) gewisse Wettermindestwerte, um anfliegen zu können. Während der Einführungsphase der GPS-Anflüge waren diese nur bei (wirklich) schönem Wetter (wenn man sie also gar nicht gebraucht hätte…) zugelassen. Das ist aber ebenfalls längst Geschichte. Inzwischen dürfen die Anflüge auch bei (relativ) schlechtem Wetter geflogen werden. Dies entgegen des NZZ-Artikels, wobei man durchaus darüber diskutieren kann, was “schlechtes Wetter” ist. Da die Genauigkeit der Anflüge (noch) nicht diejenige eines ILS-Anfluges erreicht, sind die nötigen Wetterminima dementsprechend höher. Aber auch das gilt für sämtliche “Non Precision Approaches” (“Nicht-Präzisionsanflug”), also für sämtliche Anflüge ohne Instrumentenlandesystem, zu denen der GPS-Anflug gehört. Ich habe in diesem Beitrag von einem Beispiel eines Non Precision Anfluges bei schlechtem Wetter in der Praxis geschrieben. Zum Vergleich: Für einem manuellen ILS-Anflug (“CAT 1”-Anflug) müssen wir eine Sicht von 550 Meter haben und die Wolkenuntergrenze darf nicht unter 200 Fuss (von der Piste aus gerechnet) sein. Demgegenüber muss in Daressalaam (HTDA/DAR), wo wir regelmässig RNAV/GPS-Anflüge durchführen, für einen solchen Anflug die Sicht mindestens 1km betragen und die Wolkenuntergrenze darf nicht unter 440 Fuss, also ziemlich genau das Doppelte, sein.

Der “Rückstand” der Schweiz kann also relativiert werden. Weil das bei uns übliche ILS-Anflugverfahren sehr zuverlässig und erst noch genauer als ein GPS-Anflug ist, bedarf es (derzeit) den GPS-Anflug nur aus politischen Gründen (Stichwort: “gekröpfter Nordanflug”; dazu sicher (leider) in Zukunft mehr…).

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