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Am Anschlag wegen Emma

March 1st, 2008 by G!

Seit gestern macht uns EMMA ordentlich Dampf. Für einmal ist nicht EMMA, die Zeitschrift der “Frauenrechtlerin” Alice Schwarzer, sondern das (sicher nach der Zeitschrift benannte;-)) Sturmtief gemeint.  Am frühen Nachmittag wechselte die Anflugpiste des Flughafen Zürichs auf die Westpiste 28. Unter Tags – und damit für einmal frei jeglichen politischen Drucks aus dem nördlichen Nachbarland – ist dies ein untrügerisches Zeichen dafür, dass die Zeichen auf Sturm(wind) stehen. So war dem denn auch, nicht nur in Zürich. Ich trat um ca. 1900 Uhr Lokalzeit meinen Dienst an, um nach Amsterdam (AMS/EHAM) zu fliegen. Zu diesem Zeitpunkt sah das Wetter dort wie folgt aus:

EHAM 291825Z 22026G36KT 9999 -RA FEW017 SCT020 BKN040 07/05 Q1001 BECMG 23030G43KT=

Ausgedeutscht heisst dies: Böige Winde aus Süd-Südwest mit rund 50-65 km/h, leichter Regen, bewölkt, 7 Grad; der Wind frischt auf und erreicht ca. 55-80 km/h. Das Briefing mit der Cabin Crew war denn bezüglich des Wetters sehr einfach: es schüttelt beim Start und bei der Landung … … und dazwischen auch.

Nun ja, ich war schon lange nicht mehr nach AMS geflogen, weshalb ich mir vorgenommen hatte, den Hinflug zu übernehmen. So war’s denn auch und wir hatten sehr starke Winde. Auf 3000 Fuss über Grund, beim Eindrehen auf den Endanflug (“Line-up”) waren es immer noch 135 km/h (75 kts)! Bei solchen Verhältnissen werden auch die Flugverkehrscontroller gefordert, denn sie müssen den Wind in ihre Richtungsanweisungen miteinbeziehen, sonst ist es uns nicht möglich, das Flugzeug rechtzeitig auf den Leistrahl des Instrumentenlandesystems aufzulinieren. Das ist bei Winden in diesen Grössenordnungen sehr anspruchsvoll. So hatte den auch Fifi, unser Autopilot mit seinem automatischen “Gaspedal” gegen die Naturgewalten zu kämpfen: von links gings nach rechts, von oben nach unten und das Ganze grad noch einmal. Von Idle (kein Schub) bis nahezu Vollgas ging das Schubspektrum, damit wir die geforderte Geschwindigkeit halten konnten. Irgendwann wird es auch und gerade unter diesen Umständen Zeit für die Piloten, selber Hand anzulegen. Das tat ich denn auch mit schweisstreibendem Einsatz. Bei meiner Landung lautete das Wetter:

EHAM 291955Z 23028G39KT 9999 -RA FEW011 BKN014 BKN018 08/06 Q0999 NOSIG=

Der Wind war also bei böigen 50-70 km/h gebliegen. Hingegen nahm der Druck in 1.5 Stunden um 2 hPa ab, was auf ein starkes Tief hindeutet. Als wir uns heute Morgen auf den Rückweg machten, war der Druck bereits auf 991 hPa gesunken. Das Wetter in Zürich war noch interessanter als am Vorabend in AMS, weshalb mein Kollege – er war als Flying Pilot an der Reihe – meinte, “es soll mir heute nicht besser gehen, als dir gestern Abend”:

LSZH 010620Z 22026G42KT 7000 RA SCT025 OVC040 10/06 Q1006 WS ALL RWY NOSIG=

Dazu kam das unter diesen Verhältnissen übliche “expect Turbulence on Final”. Im Volltext: Böige Winde aus Süd-Südwest mit ca. 45-75, Regen, bewölkt, 10 Grad; Scherwinde (und nicht “Windscheren“) bei allen Pisten und es ist mit Turbulenzen im Anflug zu rechnen. Grund genug für uns, wiederum genügend Treibstoff mitzunehmen um längere Zeit warten und nötigenfalls Durchzustarten zu können. In Zürich ist bei Winden aus 220 Grad (Süd-Südwest) der Anflug besonders anspruchsvoll, da kurz vor der Landung die Verwirblungen der Frachthäuser, welche links der Piste 28 stehen, ihre Wirkung entfalten. Das führt dazu, dass ein unruhiger Anflug unmittelbar vor der Landung noch einmal unruhiger, unberechenbarer und damit anspruchsvoller wird.

Auf dem Flug nach Zürich hatten wir – für unsere Breitengrade – relativ seltene Winde von knapp 160 Knoten, was über 280 km/h entspricht! Das resultiere in meiner persönlichen Rekordgeschwindigkeit gegenüber dem Boden von 580 Knoten (ca. 1050 km/h):

Wie erwartet wurden wir von Swiss Radar zunächst in das im aargauischen Luftraum liegende GIPOL-Holding geschickt. Vorerst 10 Minuten Anflugverspätung. Die Winde immer noch mit Böen bis zu 80 km/h (dies am Boden!). Da innert kurzer Zeit mehrere Flugzeuge durchstarten mussten, wurde unsere Anflugzeit noch einmal um 10-15 Minuten verschoben. Nach einger Zeit gaben die ersten Flugzeuge ihre spätestmögliche Anflugszeit bekannt, bevor sie zum Ausweichflughafen fliegen müssten und die ersten wichen bereits aus. Während wir unsere Warteschlaufen zogen, betrachteten wir das aktuelle Wetter der umliegenden Flughäfen und überlegten uns, wie lange wir warten können und wann wir wohin ausweichen würden. Der Bordcomputer wurde dementsprechend programmiert, um im Falle eines Falles vorbereitet zu sein.

Nach rund 20-25 Minuten konnten wir anfliegen. Vor uns die United, davor die Continental. Dankbar, wenn man nach 6, 10 oder noch mehr Stunden (Nacht-)Flugzeit unter diesen Bedingungen anfliegen muss… Die United fragt 3km vor der Piste nach dem Wind, den sie vom Tower bekommt, zugleich mit dem Hinweis, “for you information, the preceeding Continental has landed”… eigentlich eine (sicherlich) gut gemeinte Information des Controllers, damit die United Piloten die Lage (besser) einschätzen können. Allerdings dürfte die Aussage auch (noch mehr) Druck auf die Piloten ausgeübt haben, nach dem Motto “die Jungs von Continental haben ihr Schiff heil runtergebracht…”. Wie auch immer, die United landete auch und wir waren als nächste an der Reihe. Auch mein Kollege kämpfte den Flieger erfolgreich auf den Boden und hatte nicht eine ruhige Sekunde.

Die EMMA von Alice Schwarzer könnte einem mit ihren Meinungen auch an “den Anschlag bringen”, das stimmt. Diesmal wars aber das Tief EMMA, welches bei diesen zwei Flügen nicht meinen Kollegen und/oder mich an den Anschlag gebracht hat, sondern den Sidestick … und zwar des öftern. Nur so war es möglich, den Flieger mit seinen jeweils über 60 Tonnen nicht vollkommen zum Spielball der Naturgewalten werden zu lassen.

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Geniesse den Augenblick

February 22nd, 2008 by G!

Donnerstag, 21. Februar 2008, 2049Z
Airbus 320E HB-IJV, LX8475 Sharm El Sheik – Zürich, italienischer Luftraum

Mit 79% der Schallgeschwindigkeit durchqueren wir auf 36’000 Fuss den italienschen Luftraum, rund 200 nautische Meilen südöstlich von Zürich. Der Controller hat uns soeben eine kleine Abkürzung gegeben: "äääh, Saaawisse 8475, reiiiidaaar gontagt, äääh, prosiiid äh dairägtä LIPMA". Wir sind bereits 3 Stunden und 35 Minuten in der Luft und sind es gemäss unserem Bordcomputer noch rund 40 Minuten. Dann landen wir in Zürich auf der Piste 28. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir am heutigen Tag insgesamt schon 473 Passagiere befördert, sind 3500 nautische Meilen – ca. 6500 km – geflogen und waren 8 Stunden und 17 Minuten in der Luft. Nach der Landung steht es fest – ein Rekordtag in jeder Hinsicht, denn meine bisherigen Rekorde vom Mai 2007 werden geschlagen: Mit 1831 nautischen Meilen ist der erste Flug des Tages von Zürich nach Luxor streckenmässig, und der dritte und letzte Flug von Sharm El Sheik nach Zürich mit einer Flugzeit von 4 Stunden 12 Minuten zeitmässig, am längsten.

Der Blick schweift zum x-ten Mal am heutigen Tag auf die Systemanzeigen und bestätigt mir einmal mehr, dass sämtliche Parameter im grünen Bereich sind: die beiden Triebwerke schnurren unermüdlich vor sich hin und verbrennen je 1200kg Treibstroff pro Stunde, wir haben wie errechnet noch rund 4600 kg Treibstoff an Bord, der eine Temperatur von minus 20 Grad hat, die Druckkabine ist auf 7100 Fuss und mit einem akutellen Gewicht von 64380 kg sind wir bereits 1600 kg unter dem maximalen Landegewicht. Die Temperatur im Cockpit beträgt mollig warme 27 Grad, unsere 156 Ferien-Passagiere haben 24 Grad warm. Alles ok, alles ruhig, alles Standard.

Einen halben Meter entfernt von mir beträgt die Aussentemperatur menschenfeindliche minus 62 Grad. Durch die hohe Geschwindigkeit beträgt sie auf der Flugzeugoberfläche "nur" noch minus 36 Grad. Die schneebedeckten Alpen werden vom Vollmond fast schon unnatürlich erhellt. Ein wundervoller Anblick.

Die Passagiere schlafen, während wir uns langsam mental auf den Anflug vorbereiten, denn bald landen wir. Endlich. Denn 12 Stunden nach Duty-Beginn ist alles diskutiert und besprochen, was zu besprechen wäre. Es läuft – abgesehen von der Verspätung – problemlos.

Zeit, den Augenblick der Ruhe und der "grünen" Parameter zu geniessen, denn in 48 Stunden werde ich mir genau diese "Langeweile", die Flight Attendants und den Kaffee herbeisehnen, wenn ich am Samstagabend im Airbus 321 Simulator meinen halbjährlichen Check absolviere und ein brennendes Triebwerk mein kleinstes Problem sein wird…

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PRO Luftwaffe

February 18th, 2008 by G!

Liebi Fraue und Manne

Nicht vergessen: Am Wochenende ist Abstimmungstermin. Darum ein klares und überzeugtes

NEIN zur Initiative gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten!

"Die Schweiz hat eine Armee." (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 Bundesverfassung)

…und weil dem so ist, brauchen wir eine Luftwaffe, die trainieren kann. So einfach ist es. Wir müssen endlich lernen, dass heute viele Sachen, die man braucht und/oder will, auch Nachteile haben. Es ist interessant zu sehen, wieviele Leute jedoch nur die Vorteile für sich in Anspruch nehmen und die Nachteile auf andere abschieben wollen. Wir sehen das regelmässig bei den Flug"lärm"-Diskussionen und leider vermehrt auch im Alltag. Entweder sagt man JA zu etwas und nimmt es mit den nicht vermeidbaren Nachteilen in Kauf, oder man verzichtet ganz und damit auch auf die Vorteile. Entweder man entscheidet sich für etwas und steht hinter dem Entscheid mit all seinen Nachteilen und Kosten, oder man lässt es – und zwar ganz. Aber nichts dazwischen.

Wer mich kennt weiss, dass ich zu diesem Thema noch seitenweise schreiben könnte. Ich verkneiffe es mir und empfehle allen Stimmbürgern, die noch nicht wissen, was sie abstimmen sollen, sich 10 Minuten Zeit zu nehmen und diese Broschüre zu lesen:

Trainingsraum Schweiz: Erfolgsfaktor für unsere Luftwaffe [Direktdownload PDF, 1.3 MB; die HTML Version gibts hier]

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