Mein erster Reservemonat (ja richtig gelesen: Monat) ist in vollem Gange. Der erste Einsatz, natürlich am ersten Tag, war eine positive Überraschung. Nach zwei kurzen Freitagen war am Vorabend des nächsten Reserveblockes meine Anspannung natürlich gross, da die Chance ebenfalls gross war, dass es schlechter kommen würde. Darum ab ins weltweite Netz bzw. auf unsere Swiss-Crewseite. Siehe da, ein bzw. zwei Einsätze: zuerst einen Tag Stby und am nächsten Tag nach Miami. Für mich Grund zur Freude, wenn da nicht zwei Gründe dagegen sprächen:
1. die Chance, an einem Langstrecken-Standbytag keinen Einsatz zu bekommen, ist sehr gering;
2. wenn es zu einem Einsatz kommt, ist die Chance, einen Eintageseinsatz zu bekommen, damit der Miami auch geflogen werden kann, noch kleiner als die Chance im ersten Fall.
Daher alles flexibel gepackt, damit ich bei einem Telefonanruf in alle Himmelsrichtungen fliegen kann, gleichzeitig aber hoffen, dass keiner meiner Kollegen ausfällt und alle Flüge einen Copi haben, damit ich nach MIA kann. Dieses Mal konnte ich ausschlafen und das Telefon blieb sogar den ganzen Tag still! Grund genug, die Badehose für MIA einzupacken und mich auf einen weiteren “Wunschflug” zu freuen. Bisher läuft die Reserve optimal…
Miami ist (zusammen mit Chicago/ORD) der längste Flug in unserem Streckennetz, den wir mit zwei Piloten fliegen. Mit Flugzeiten um die zehn Stunden auf dem Hinflug und gegen neun Stunden auf dem Rückflug ist der Flug sehr anstrengend. Neun Stunden mögen nicht nach viel tönen, sind es aber, wenn das Flugzeug für den Rückflug kurz vor 02 Uhr (Nachts) Schweizer Lokalzeit in Miami startet. Wer um diese Zeit anfängt zu arbeiten, hat lange neun Stunden vor sich!
Dazu kommt, dass derzeit in Miami “Hurrican Season” herrscht. Wer schon einmal während dieser Zeit in Florida und/oder der Karibik war weiss, was das heissen kann. Die dortigen Gewitter und Stürme sind nicht unseren zu vergleichen. So hatte jeder für uns in Frage kommende Flughafen in Florida während unserer Landezeit “VCTS” oder zumindest “VCSH” vorausgesagt. Das bedeutet ausge”deutscht”: Thunderstorm bzw. showers in the vicinity (of the airport). Also Gewitter oder Schauer in der Umgebung des Flughafens. Nun ja, nicht weiter schlimm, wenn es nur in der Umgebung sein wird. Eine legale Planung ist daher relativ einfach und schnell gemacht. Aber der aufmerksame Leser hat es bereits gemerkt: wenn jeder (ja, wirklich jeder!) Flughafen in seiner Umgebung Gewitter oder Schauer hat, dann hat es letzten Endes wohl überall!?!? Und weil Juristen (in den meisten Fällen ;-)) keine Piloten sind, begnügen wir uns nicht mit dem legalen Minimum, denn unter solchen Umständen gibt es – wie nff auch gerade geschrieben hat – nur einen Grundsatz: “Fuel is your best friend”. Gesagt, getan.
Als wir aus der Region Nassau kommend unsere A340-Nase gegen Miami drehen, zeigt sich denn auch, dass unsere Entscheidung richtig war. Eine massive Gewitterfront hat sich im Westen Miamis in Stellung gebracht und den Marsch nach Miami angetreten.
Der Anblick auf dem Navigationsdisplay mit dem Wetterradar:
Die rot-gelb-grünen Flecken sind die Gewitter, die man im oberen Bild beim Blick aus dem Fenster erkennen kann. Die Distanz zwischen den gestrichelten Kreisen bzw. dem gestrichelten und dem äussersten (Kompass-)Kreis beträgt jeweils 20NM, also ca 37km. Der Flughafen Miami (mit unserer Landepiste 09) befindet sich rechts der Mitte, unterhalb des Buchstabens “E” des Wegpunktes “LECIT”. Die Gewitter sind also nur noch ca 20NM von Miami und nur noch ca 10NM vom Anflugpunkt “GRITT”, entfernt. Die Front erstreckt sich über eine Breite von rund 75NM (knapp 140km!) und wird in Richtung des Flughafens getrieben. Wir hatten Glück, denn wir konnten direkt anfliegen und gewannen das Rennen gegen die Front. Am Boden haben wir darum mehr Treibstoff als erwartet. Wären die Gewitter bei unserer Ankunft über oder kurz vor dem Flughafen gestanden, hätte sich unsere unter den jetztigen Umständen komfortable Treibstoffreserve nur allzu schnell und wortwörtlich in “Luft” aufgelöst und wären froh gewesen, dass wir genug mitgenommen haben. Nächstes Mal stehen die Türme vielleicht über dem Platz und dann sind wir froh, wenn wir den besten Freund des Piloten wieder dabei haben…
… last but not least ein Eindruck davon, wie es am Boden in Miami aussah, nachdem sich ein Gewitter ausgetobt hatte (man beachte die Wasserlinie!):
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