Luftfahrtgeschichte
November 22nd, 2010 by G!Die einzige lesbare grosse Schweizer Tageszeitung berichtete in ihrer Wochenendausgabe vom ersten satellitengestützten Anflug eines Swiss Airbus auf Kloten. “Es war ein kleines Luftfahrt-historisches Ereignis“, als Mitte November ein SWISS Airbus ohne Passagiere satellitengestützt “gelandet” ist:
Ein solcher Anflug heisst im Fachjargon “RNAV/GPS”-Anflug (Area Navigation/Global Positioning System). Dabei bedarf es keiner Anflughilfen-Installation am Boden mehr, sondern (vereinfacht gesagt) nur noch Satellitenempfang. Zentral ist, dass es sich um einen “Anflug” und nicht um eine “Landung” handelt. Denn im Gegensatz zu einem automatischen Anflug bzw. einer Landung mit einem Instrumentenlandesystem (ILS), bei dem das Flugzeug mit den Autopiloten die Landung im Nebel selber ausführen kann, ist das beim RNAV/GPS-Anflug (noch?) nicht möglich. Der Autopilot muss auf der vorgegebenen Mindesthöhe ausgeschaltet und die Landung vom fliegenden Piloten manuell durchgeführt werden.
Das “kleine luftfahrthistorische Ereignis” bedarf (leider) auch einer Relativierung: Die ganze SWISS Airbusflotte ist seit 2008 für solche Anflüge zugelassen und ich selber hatte im November 2007 die entsprechende Ausbildung, um diese Anflüge durchführen zu dürfen. Luftfahrthistorisch “bedeutsam” ist der Anflug bestenfalls für die Schweiz, denn obwohl die Schweiz für ihre Bücklingspolitik Politik des vorauseilenden Gehorsams bekannt ist, liegt sie in diesem Fall (wenn auch systembedingt) sehr weit, sogar weit hinter den Entwicklungsländern, zurück. Gerade in Afrika gehören RNAV/GPS-Anflüge zum Standard. Wetter- und infrastrukturbedingt waren und sind die Anflughilfen in Afrika nämlich nicht wirklich zuverlässig. Ausfälle einzelner Systeme gehören zum Alltag. Durch die wie gesagt unabhängig von Bodeninstallationen möglichen GPS-Anflüge spielen diese Ausfälle (sofern sie nicht die Pistenbeleuchtung betreffen) keine Rolle mehr.
Ausser der Zertifizierung des Flugzeuges und der Crew bedarf es neben GPS-Empfang nur noch (wie übrigens bei jedem Anflug!) gewisse Wettermindestwerte, um anfliegen zu können. Während der Einführungsphase der GPS-Anflüge waren diese nur bei (wirklich) schönem Wetter (wenn man sie also gar nicht gebraucht hätte…) zugelassen. Das ist aber ebenfalls längst Geschichte. Inzwischen dürfen die Anflüge auch bei (relativ) schlechtem Wetter geflogen werden. Dies entgegen des NZZ-Artikels, wobei man durchaus darüber diskutieren kann, was “schlechtes Wetter” ist. Da die Genauigkeit der Anflüge (noch) nicht diejenige eines ILS-Anfluges erreicht, sind die nötigen Wetterminima dementsprechend höher. Aber auch das gilt für sämtliche “Non Precision Approaches” (“Nicht-Präzisionsanflug”), also für sämtliche Anflüge ohne Instrumentenlandesystem, zu denen der GPS-Anflug gehört. Ich habe in diesem Beitrag von einem Beispiel eines Non Precision Anfluges bei schlechtem Wetter in der Praxis geschrieben. Zum Vergleich: Für einem manuellen ILS-Anflug (“CAT 1”-Anflug) müssen wir eine Sicht von 550 Meter haben und die Wolkenuntergrenze darf nicht unter 200 Fuss (von der Piste aus gerechnet) sein. Demgegenüber muss in Daressalaam (HTDA/DAR), wo wir regelmässig RNAV/GPS-Anflüge durchführen, für einen solchen Anflug die Sicht mindestens 1km betragen und die Wolkenuntergrenze darf nicht unter 440 Fuss, also ziemlich genau das Doppelte, sein.
Der “Rückstand” der Schweiz kann also relativiert werden. Weil das bei uns übliche ILS-Anflugverfahren sehr zuverlässig und erst noch genauer als ein GPS-Anflug ist, bedarf es (derzeit) den GPS-Anflug nur aus politischen Gründen (Stichwort: “gekröpfter Nordanflug”; dazu sicher (leider) in Zukunft mehr…).
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