Am Limit
November 13th, 2008 by G!
Im August habe ich unter dem Titel “Dreifach eingeklemmt” die Gewichtslimiten beschrieben. Ein schweres Flugzeug verhält sich natürlich insbesondere bei der Landung anders als ein leichtes. Dieser Beitrag stellt eine Fortsetzung dar und soll zeigen, was eine (weiter) Folge ist, wenn der Airbus (nahe) am maximalen Landegewicht (max Landingweight) geflogen wird. Dazu folgendes Bild von einem Anflug auf die Piste 34 in Zürich mit einem schweren Airbus 321, von Athen kommend [Vergrösserung: Bild anklicken]:
Eine Vergrösserung der Geschwindigkeitsskala:
Die Symbole auf der Geschwindigkeitsskala bedeuten das Folgende: Die Zahlen stellen die Geschwindigkeit in Knoten” (kts; km/h = kts x 1.852) dar. Der gelbe Strich bei 230 kts ist die aktuelle Geschwindigkeit (also rund 425 km/h), welche wir fliegen wollen und eingestellt haben (türkisfarbiges Dreieck). Links neben dem Dreieck befinden sich – nur schlecht zu sehen – zwei horizontale, orange Striche. Diese zeigen an, bei welcher Geschwindigkeit wir frühestens die nächste Stufe der Landeklappen (Flaps) setzen dürfen. In diesem Fall ist die nächste Stufe der Landeklappen zugleich die erste Stufe: Flaps 1. Deshalb wird bei ca. 224 kts der grüne Punkt (engl. “green dot”) angezeigt. Es handelt sich um die sogenannte “green-dot-Speed”, welche wir ohne Klappen nicht unterschreiten dürfen (“Minimum Clean Speed”). Werden die Klappen in Position 1 gesetzt, erscheint auf der Skala bei 230 kts ein rot-schwarzer Strich, welcher die obere Geschwindigkeitslimite mit Flaps 1 darstellt.
Das heisst, dass wir erst unter 230 kts Flaps 1 setzen, dabei aber nicht unter 224 kts – die Mindestgeschwindigkeit für den Flug ohne Klappen (=green-dot-Speed) -, gehen dürfen. Sobald wir Flaps 1 gesetzt haben, müssen wir unter 230 kts fliegen. Es ist also sehr eng und verlangt beim Konfigurieren (Klappen setzen) des Flugzeuges eine hohe Aufmerksamkeit der beiden Piloten, damit die Limiten nicht verletzt werden und es insbesondere zu keiner Geschwindigkeitsüberschreitung (“overspeed”) kommt. Dies hätte bestenfalls “nur” technische Kontrollen, schlechtestenfalls Reperaturen zur Folge.
Noch anspruchsvoller wird die Situation, wenn das Wetter unruhig ist und es deswegen zu ständigen Geschwindigskeitsänderungen kommt oder wenn man absinken muss. Dann ist es nämlich oftmals nicht möglich, die Geschwindigkeit genügend abzubauen um Klappen zu setzen und es muss geradeaus (“level”) geflogen werden. Das hat dann wiederum oft zur Folge, dass der nötige Anflugwinkel nicht mehr stimmt und man “zu hoch” ist. Aber auch dagegen gibt es “Mittel” und Wege…
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November 13th, 2008 at 20:20
Gut erklärt “G”: Es ist nicht einfach, diese Zusammenhänge in ein für Nicht-Aviatiker verständliches Deutsch zu übersetzen.
Bemerkung am Rande: im offiziellen Airbus A340-Instruktoren Handbuch steht geschrieben: “You may fly BELOW maneuvering spd of the current configuration provided you fly ABOVE VLS.”
Ich weiss nicht, wie dies z.Zt bei euch gehandhabt wird, bei meinem aktuellen Arbeitgeber sind diesbezüglich einige Diskussionen im Gange…
Damit wäre in deinem Beispiel zumindest Spielraum gegeben, einige Knoten unter “Green dot” zu gehen.
Wüstengruss
November 13th, 2008 at 20:56
Danke für den Input! Bei uns ist es (derzeit) so: VLS ist (natürlich) die aerodynamische Minimumspeed des Flugzeuges – was wohl dein Zitat von Airbus erklärt. Green Dot, F- und S-Speeds sind Targetspeeds. Dabei entspricht es nicht der Philosophie, Speedtargets unter den Targetspeeds zu fliegen…
Wir dürfen aber im gezeigten Fall eine Speed unter der Target selektieren um zu verhindern, dass der A/THR Gas gibt. Der Philosophie entsprechend muss dann aber beim Erreichen von GD konfiguiert werden…
Gruess id Wüeschti, G!
November 13th, 2008 at 23:06
Lieber Guy
Danke für den Post, sehr spannend!
Lieber Gruss
A.
November 14th, 2008 at 20:26
Bei meinem ersten Simulatorflug als Laie bin ich also den grünen Linien exakter nachgeflogen, als das auf deinem Bildli zu sehen ist. Ich möchte das mal hier einfach so erwähnt haben. :)))
Danke für die spannende Erklärung.
November 15th, 2008 at 9:25
Danke für die spannende Erklärung 🙂
Eine Frage zu: “Wir dürfen aber im gezeigten Fall eine Speed unter der Target selektieren um zu verhindern, dass der A/THR Gas gibt. Der Philosophie entsprechend muss dann aber beim Erreichen von GD konfiguiert werden…”
… wofür steht “A/THR”?
November 15th, 2008 at 11:40
Wenn ich ich nicht total täusche steht das für auto throttle…oder?
November 15th, 2008 at 20:16
Gibt es auch Angaben seitens der Hersteller, was genau die Konsequenzen sind, wenn Limiten überschritten werden und wann gegebenenfalls die Landeklappen davon flattern?
November 17th, 2008 at 17:04
@ajg
Danke.
@Bastian
Interessanter Bericht auf deinem Blog zum Sim-Flug!
Auf dem Foto fliegt der Autopilot (siehe oben rechts im Bild: AP1), der in diesem Moment grad korrigieren musste, deshalb die Abweichung vom Flight Director.
@LM/Miggi
Danke. Fast, A/THR ist Auto Thrust. Gemeint ist damit dasselbe wie bei Auto Throttle: automatische Schubkontrolle. Aber weil bei uns sich die “Gashebel” bei eingeschaltetem A/THR NICHT bewegen (im Gegensatz zu Boeings und wenn ich mich richtig erinnere, in alten Airbus) nennt Airbus die technik Auto THRUST und nicht THROTTLE.
@Christoph
Ja, solche Angaben gibt es mehr oder weniger. Vereinfach gesagt gilt: bei den unteren Limiten fliegt es – aerodynamisch – irgendwann nicht mehr (bzw. der Airbus hat verschiedene Schutzmechanismen damit es nicht soweit kommt) und bei den oberen Limiten macht die Struktur nicht mehr mit.
December 4th, 2008 at 10:31
Ein schönes HowTo für Start und Landung der Boeing 747 findet sich hier: http://laughingsquid.com/how-to-land-a-747-at-san-francisco-international-airport/
Grüsse u.