VCTS oder: Sackgasse
August 20th, 2007 by G!VCTS bedeutet aus dem Flugwetterjargon ins Verständliche übersetzt: Vicinity Thunderstrom oder auf gut deutsch Gewitter in der Umgebung. Mit Umgebung ist damit die Region um den Flughafen gemeint, für welchen das Wetter gilt. Gestern Abend beim Anflug auf ZRH hätte eigentlich die Piste 28 in Gebrauch sein müssen, da unser Flug um 2120 in Kloten geplant ist und wir dann aus politischen Gründen bekanntlich aus Osten anfliegen müssen. Das Wetter kümmert sich jedoch nicht um hirnrissige politische Vorgaben.
Unser Anflugwetter für Aviatiker [das aktuelle im Anflug konnte ich nicht mitschreiben, da ich anderweitig beschäftig war]:
LSZH 1850Z 140/6 30km VCTS FEW 2500 SCT CB 4000 18/12 1010 BCMG VRB 10 MAX 25 TSRA
Sigmet 2 […] Switzerland FIR and UIR ISOL TS OBS […]
Im Anflug präsentierte sich die Lage wie folgt [Bild anklicken für eine vergrösserte Darstellung]:
[mygal=vcts]
Zum besseren Verständnis der linken Bildhälfte sei auf meinen früheren Beitrag (Red Bull Air Race) verwiesen, wo die Farbcodes erklärt werden. In der linken Bildhälfte auf dem ND (Navigation Display) oben rechts unterhalb der Zahl 3 der Kompassrose befindet sich ein kleines, weisses Rechteck und der Text "LSZH 34". Das ist die Piste 34 in ZRH, welche wir wenige Minuten später anfliegen. Die grün gestrichelte Linie, welche von der Piste nach rechts unten verläuft, ist der Endanflug (Final) des Südanflugs. Derzeit erhalten wir vom Controller Richtungsangaben (Radarvectors), bis er uns auf den Endanflug einfädelt. Den aktuellen Flugweg (den grünen Strich vom gelben Flugzeug nach oben) in Richtung der Gewitterzellen haben wir natürlich nur noch einige Meilen beibehalten und vor den Gewittern in Richtung Süden abgedreht.
Da im Endanflug das Wetter (noch) "gut" war, ging es, den Flughafen anzufliegen, allerdings nahezu als Sackgasse. Weil wir immer mit einem Durchstart rechnen müssen und der dafür vorgesehene, offizielle Flugweg dann genau in die Gewitterzellen führen würde (geradeaus und danach links) mussten wir den Tower informieren, wohin wir im Falle eines Go Arounds fliegen würden. Dazu ist es jedoch nicht gekommen, obwohl massive Regenschauer gerade einsetzten, als wir kurz vor der Landung waren. Einmal mehr haben sich die Scheibenwischer bewährt.
Da der ganze Anflug erstaunlich ruhig war, haben die Passagiere von alledem nicht viel bis gar nichts mitbekommen. Dies umso mehr, als es zwanzig Minuten später nicht einmal mehr regnete! Daher einmal mehr ein Flug für die Passagiere, bei dem das Essen, das Aussehen der Cabin Crew, die Pünktlichkeit und eine sanfte Landung (welche in diesem Fall gerade falsch gewesen wäre(!), dazu ein einem späteren Beitrag) am wichtigsten waren… Sicherheit erkennt man leider erst, wenn sie fehlt…
Posted in in the air | 9 Comments »
August 21st, 2007 at 17:16
Da habe ich ja immerhin noch ein Bild des Wetters, da zog ein einsamer lila Punkt übers Rafzerfeld, deine Kollegen haben zum Teil abenteuerliche Flugwege erhalten, war aber interessant anzuschauen vom Boden 🙂
August 21st, 2007 at 19:20
Betreffend “anderweitig beschäftigt”, sag mir jetzt nicht, das eine F/A in deiner Nähe war 🙂
Merci, für den «flüügerli»-Beitrag, tausend Fragen im Kopf, davon mal eine.
Ich nehme mal an, ihr seid im Sinkflug, aber die Nase zeigt nach oben. Ist es schwierig euren Airbus so stabil in der Luft zu halten, macht ihr das mit Gefühl oder habt ihr Werte wo ihr euch orientieren könnt?
August 22nd, 2007 at 14:15
@Tobi
Stimmt, die Flugwege waren nicht gerade üblich. Dazu ist zu sagen, dass die Controller – obwohl am Trockenen 😉 – in solchen Situationen auch sehr gefordert sind und ihren Job gut gemacht haben. Gerade ZRH mit dem Terrain ist da kein einfacher Platz…
@Christoph
Haha, ein Schelm wer böses denkt. Da wir aber gerade auf diesem Turnaround eine reine Männercrew 🙁 hatten, war die Beschäftigung definitiv fliegerischer Natur 😀
Nein, Deine Annahme ist nicht richtig. Wenn Du die rechte Hälfte des Bildes betrachtest (Primary Flight Display) kannst du erkennen, dass wir auf FL 90 (9000 ft Standarddruck) im Geradeausflug sind (die Verticalspeed Anzeige, der grüne Strich rechts neben der 9000, steht waagerecht, also auf 0). Zu diesem Zeitpunkt fliegt auch noch der Autopilot (erkennbar oben rechts: AP1). Wenn wir es manuell fliegen würden, müssten wir die Werte erfliegen, was man durch ständiges Vergleichen der Werte (Höhe, Geschwindigkeit und Vertikalgeschwindigkeit) erreicht. Allerdings gäbe es dazu noch ein Hilfsmittel von Airbus (sog. Flight Path Vector), aber dazu später mal mehr. Hoffe die Frage beantwortet zu haben?!
G!
August 22nd, 2007 at 18:17
Und dann starten Sie in die Gewitterzelle durch? Oder drehen Sie dann direkt wieder ab?
Grüße!
August 22nd, 2007 at 18:20
Wir hätten rechts weggedreht…
August 22nd, 2007 at 20:31
Vielen Dank für deine Antwort und Ausführungen. Sind die Ruderausschläge eigentlich – wie soll ich sagen – linear zum Sidestick, oder werden die am Ende etwas grösser?
Gruss Christoph, der an nichts böses Denken will 😉
August 22nd, 2007 at 23:29
Die ganze Geschichte mit den Ausschlägen / Sidestick werde ich wohl mal in einem Beitrag erläutern, da man darüber ordentlich philosophieren kann 🙂 und es mE. unglaublich raffiniert und genial gelöst ist. Wie meinst du “am Ende”? Im Sinne von je mehr ich ziehe/drücke? Wenn Du es so meinst, kann ich es verneinen.
August 23rd, 2007 at 10:43
Ich dachte nur es müsste doch eine Möglichkeit geben, um die Lenkpräzision zu erhöhen. Da ja ein kleiner Hebel sich ungenauer steuern lässt, als so eine lange Lenksäule – der Weg bis zum Anschlag ist doch hier grösser und erlaubt doch feinere Abstufungen.
August 24th, 2007 at 0:25
Gute Idee, aber Airbus hat mitgedacht 😉 Dem kommt natürlich das Fly-by-Wire entgegen und ich würde einmal behaupten, dass der Airbus sicher so genau, wenn nicht genauer als eine Traktor-MD-11 zu fliegen ist…NFF, korrigier mich bitte, wenn dem nicht so ist…aber denk dran, ich zensuriere jeden Kommentar, der mir widerspricht 🙂
Aber eben, ich schreibe bald mal einen Beitrag dazu…und sonst frag nochmal nach…