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Expect the unexpected oder Finalcheck Airbus 330

April 23rd, 2009 by G!

Rückblick

Der April hatte es bisher in sich, denn meine Streckenausbildung auf dem Airbus 330 läuft lief auf vollen Touren. Da war zunächst nach fast einem Monat Staatsferien die zweite Rotation mit einem Quasi-wieder-Erstflug nach Mumbai, Indien. Danach gings nach Riad und Jeddah in Saudiarabien, gleichzeitig lizenzrelevanter Checkflug für das Bundesamt und Swiss-interner “Midcheck”. Im Anschluss stand Nairobi, Kenya und Dar es Salaam, Tansania auf dem Programm. Alles Flüge, bei denen ich eine Qualifikation bekommen habe, wie es bei unseren Ausbildungen üblich ist. Der Höhepunkt und Abschluss der Ausbildung sollte am vergangenen Montag statt finden: der Finalcheck.

Planung

Geplant für den Check war ein Tel Aviv-Turnaround (Hin- und Rückflug am selben Tag). Das bereite ich auch vor und studiere den Platz, den ich schon von zwei Besuchen mit dem A320 kenne.

Realität

Am Montag Morgen reisst mich das Klingeln des Telefons aus dem Tiefschlaf. Nur langsam begreife ich, dass das Telefon klingelt. Um diese Zeit muss es ein Notfall sein, denn es ist 0600 Uhr, mehr als eine halbe Stunde vor meinem geplanten Wakeup-“Call”. Das Display verrät mir, dass es eine Nummer der Swiss ist. Um diese Zeit?! Im Delirium nehme ich ab und höre erst einmal zu: “Guete Morge Herr Gächter, Crew Dispo … Entschuldiged Sie, dass ich sie geweckt han.” Die Kurzversion von dem, was mir die Dame in meinem Dämmerzustand erklärt: Checkpilot krank – ich werde einem neuen Checker zugeteilt – Flug nach JFK New York, checkin in gut zweieinhalb Stunden. Als ich aufgehängt habe, starte ich erst einmal mein Thinkpad um schriftlich zu sehen, was ich glaube verstanden zu haben. Dann gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf: Nightstop=Packen; Unterlagen JFK zusammen suchen und vor allem noch einmal anschauen, denn auch die Planung über den Nordatlantik ist nicht wirklich gleich wie die nach TLV usw.Für alles reicht es nicht, drum muss ich Prioritäten setzen und das um diese Zeit.

Im OPS angekommen schaue ich das Wetter an, um zu “entscheiden” ob ich nach JFK oder zurück fliegen will, denn im Normalfall lässt der Captain den First Officer entscheiden. Die Vorhersage für unsere Ankunftszeit sagt starke Winde mit Böen voraus. Da ich bisher auf dem Airbus 330 immer relativ ruhige Windverhältnisse hatte und ich mich nicht am Checkflug in Szene setzen will, ist die Entscheidung schnell gefällt: ich fliege den Rückflug. Davon gehe ich aus, bis der Checker nach der Begrüssung meint, dass ich doch nach JFK fliegen soll, denn Zürich stehe ja genug auf dem Programm… Ooooookkkkeeeee, das Wetter wird bestimmt besser, es hat ja noch über acht Stunden Zeit – und die Hoffnung stirbt zuletzt.

Kultanflug

Als wir uns langsam aber sicher für den Anflug in JFK bereit machen müssen, bestellt der Captain die Anfluginformationen. Meine Hoffnungen werden jäh zerstört: das Wetter findet nicht nur wie vorhergesagt, sondern mit noch mehr Wind statt. Typisch Checkflug. Aber das ist nicht alles: der Anflug wird nicht ein 0815-ILS-Anflug, wie wir ihn tagtäglich fliegen, sondern ein sogenannter Canarsie-Approach. Unter Piloten ein Kultanflug, da er nicht ganz einfach zu fliegen ist und selten geflogen werden darf. Speziell ist, dass man im rechten Winkel zur Pistenachse mit den Anflughilfen anfliegt um dann relativ tief – 500 Meter und weniger über dem Boden – eine 90-Grad-Kurve nach Sicht fliegt um das Flugzeug auf der Pistenache aufzulinieren. Da man schon sehr tief fliegt, bleibt relativ wenig Zeit, den Anflugwinkel und die Längsausrichtung auf die Pistenachse richtig hinzukriegen. Der Anflug ist vom Vefahren her vergleichbar mit dem berühmten Anflug auf den alten Flughafen Kai Tak in Hong Kong. Darum weist der Captain die Passagiere darauf hin, dass wir in Bodennähe eine starke Kurve fliegen würden, dies aber zum Anflug gehöre.

Ich meine zum Captain, dass das typisch Check sei, zum ersten Mal starken Seitenwind, Böen und und dazu noch einen Canarsie-Approach. Er lacht und meint, dass er den Anflug schon fliege, wenn ich nicht wolle, denn er warte schon seit Jahren darauf… Aber diese Freude will ich ihm nicht lassen, denn ein anderer Kollege, der bei der Mutti schon seit einigen Jahren Langstrecke fliegt, hat – wie ich heute erfahren habe – den Anflug auch noch nie geflogen und wer weiss, wann ich wieder eine Chance hätte. Chancen die sich einem ergeben, soll man nutzen und wenn schon alles nicht so wie geplant statt findet, dann aber richtig.

Ich bereite den Anflug im System vor und studiere ihn, bevor ich dem Captain beim sogenannten Approachbriefing erkläre, wie ich ihn fliegen will und was speziell ist. Er gibt mir noch ein paar Hints und Tips und dann gehts los. Als wir uns im Anflug befinden, ist das Wetter nicht wirklich angenehm, was den Anflug noch anspruchsvoller werden lässt:

Es regnet leicht und es herrscht Ostwind mit 23 Knoten mit Böen bis 30 kts (42 km/h mit Böen bis 55 km/h). Die Pistenrichtung ist 13, das bedeutet der Wind kommt am Ende von vorne links mit einer Seitenwindkomponente von rund 15 kts (28 km/h).

Auf 3000 ft über Grund haben immer noch über 74 km/h (40 kts) Seitenwind, was die Einschätzung des visuellen Teils des Flugwegs sehr erschwert, da ja noch eine 90-Grad-Kurve geflogen werden muss. Der Wind wird zwar noch abnehmen, aber nicht mehr wirklich viel… Als ich den Autopiloten ausschalte haben wir sehr starke Böen und unser Airbus 330-200 wird trotz 165 Tonnen Gewicht ordentlich durchgeschüttelt. Ich bin damit beschäftigt die Lage zu verteidigen und zu erkennen, wie mein Gleitwinkel ausschaut, wo ich durchfliegen und wann ich eindrehen muss. Die Nase noch ein wenig nach oben, jetzt eindrehen, warten bis sich die Masse bewegt und ihre Lage gefunden hat. Jetzt stimmt der Winkel, ich nähere mich der Pistenachse und lege den Segelflieger noch in eine Rechtskurve. Da der Wind von links kommt, muss die Nase im Endanflug – wenn wir letzten Endes gerade auf die Piste zufliegen – nicht gegen die Piste, sondern nach links zeigen, sonst stimmt der Flugweg nicht und es driftet mich neben die Piste ab. Gedacht – getan, ich leite die Kurve aus und lasse die Masse stabilisieren. Es folgen weitere Korrekturen im Gleitweg und in der Längsrichtung und ich verteidige meinen Aiming-Point (das ist der Ort auf der Piste, auf dem das Flugzeug zufliegen muss – 300m nach Beginn der Piste), was angesichts der Winde nicht einfach fällt. Sämtliche Parameter stimmen, als die synthetische Stimme “one hundred” – 100 Fuss / ca. 30m über dem Boden – ausruft. Auf 50 ft beginne ich den Landeablauf, nehme das Gas zurück und richte die Nase ein wenig in Pistenrichtung aus… noch ein klein wenig mehr am Sidestick “ziehen”, die Sekunden bis zum Touchdown erscheinen wie eine Ewigkeit: Habe ich zuviel gezogen oder wird es gleich rumpeln? Mein Eindruck sagt mir, dass es gut kommt. Und da: die hinteren Räder des Hauptfahrwerks touchieren komfortabel den New Yorker Boden und ich fahre sofort den Reverse (Umkehrschub) aus, lande die übrigen Räder des Hauptfahrwerks und das Bugfahrwerk.

Fünf Minuten später steht der Swiss-Flug LX16 am Gate und ich habe meine Canarsie-Approach-Taufe erfolgreich bestanden. Nach einem Aufenthalt in der City of Blinding Lights und dem Rücknachtflug über den Atlantik gratuliert mir der Checkpilot zum erfolgreich bestanden Finalcheck auf dem Airbus 330.

Einige Eindrücke der Rotation:

[myginpage=finalcheck330]

Den interessanten Beitrag von Kollege SKYPOINTER über seinen Jungfernflug nach JFK mit dem neuen Swiss A330-300 findet man HIER.

Ach ja: mit reichlich Verspätung  – und schon fast als Rückblick gedacht – mein Aprilplan, der > HIER < downloadbar ist.

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Posted in impressions, in the air | 18 Comments »

18 Responses

  1. Joachim Says:

    Hi,

    super Beitrag und herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Check!
    Ich hatte beim Lesen das Gefühl als würde ich dahinter aufm Jumpseat sitzen 😉

    Grüße aus Süddeutschland.

    Joachim

  2. Miggi Says:

    wow echt eindrücklicher bericht. ecth schön wieder mal was von dir zu lesen 😉
    gratuliere dir natürlich ganz herzlich denn 330-200 Check bestanden zu haben.
    Musst du noch einen Check für den 330-300 machen?

    gruess, miggi

  3. G! Says:

    @Joachim: Danke und viele Grüsse in den Norden…

    @Miggi: Danke. Nein, für den 300er müssen wir nur einen Test absolvieren, da 200 und 300 derselbe “Typ” ist, wie 319 und 320 und 321… Skypointer oder NFF hat dazu etwas geschrieben, wenn ich mich nicht irre…

  4. christoph Says:

    So fliessend und souverän wie der Text zu lesen ist, müsste wohl die Landung gewesen sein. Danke, dass ich wieder etwas Lesestoff gekriegt habe und natürlich herzliche Glückwünsche meinerseits.

    Gruss christoph

  5. Johannes Says:

    Wow hat einen richtig mitgenommen dein Bericht. Danke dafür 😀

  6. René Says:

    lande die übrigen Räder des Hauptfahrwerks

    wenn ich schon ein chefpilotenanwärter bin dann bist du ein angeber….

    Nei im Ärnscht, gratuliere!

    Mues mau gfiiret wärde!

  7. HB-IJL Says:

    Lucky you 🙂 Gratulation und ich freue mich auf viele nette Nachrichten von Dir.

  8. Dide Says:

    Herzliche Gratulation! And welcome to the club!

    Jetzt bist du ein “richtiger” Langstrecken- und Canarsie-Pilot. Was mich ein bisschen überrascht ist die Tatsache, dass du kein Föteli mit Espresso-Tasse zeigst…

    Gruss Dide

  9. Ava Says:

    Hallo,

    bin gerade im Auswahlverfahren der SWISS und motiviere mich durch deine Beiträge. Dieser Beitrag schreckt mich aber ein wenig ab, habe beim FSX noch Probleme eine kleine Cessna zu halten und wie soll es da erst bei einer A330 werden. = )

    Gratuliere zum bestandenem Check!

  10. nff Says:

    Hallo G!

    Auch von meiner Seite herzliche Gratulation!
    13 lange Jahre fliege ich jetzt schon auf Langstrecke und habe erst einen – EINEN – Canarsie geflogen und das ausgerechnet mit meinem Vorkommentator Dide.

    Dass Du den Anflug und die Landung so gut hingekriegt hast, zeugt von Deinem Erfahrungsschatz als SH-Pilot. Ich hätte die sicher mehr herumgeturnt!

  11. Dide Says:

    @nff: da sieht man wieder einmal, welch grossartige Karrieremöglichkeiten ich dir geebnet habe…

    Canarsie-Gruss

    Dide

  12. Severin Says:

    Ich bin ja sonst eher ein stiller Leser, aber bei diesem Bericht hat sich meine Atmung derart beschleunigt, dass ein Kommentar wohl das geringste ist. Gratuliere zu dem super Text und dem bestandenen Final Check.

    Unverhofft kommt oft, scheint als hättest du gerade die Krönung desgleichen erlebt!

    Liebe Grüsse,

    Severin

  13. G! Says:

    @christoph / Johannes
    Vielen Dank!

    @René
    Danke…Kannst mir dann mal den Check abnehmen 😉 Anstossen tun wir auf jeden Fall, die nächste Party kommt bestimmt!

    @HB-IJL
    Danke. Sei froh, wenn ich nicht zuviel schreibe…

    @Dide:
    Danke. Die Nespresso wird nachgeholt, versprochen! Der Grund ist, dass ich keinen Platz für einen Dessert mehr hatte und eine alleinstehende Tasse nicht gerade gut ausgesehen hätte…

    @AVA
    Danke. Aber abschrecken? Im Gegenteil, ich hatte vor meiner Selektion bei Swissair weder Flightsim und auch beim Beginn der Ausbildnugn noch KEINE einzige Flugstunde… bist mir also schon einiges voraus!

    @nff
    Danke. Dann war es also doch nicht falsch, dass ich den Approach geflogen bin. Naja, hier mal nix falsch verstehen, bitte. Ich habe nicht gesagt, dass ich NICHT herumgeturnt hätte – und vor allem habe ich sicher mehr (Blut) geschwitzt als du es tun würdest…

    @Severin
    Vielen Dank. Ja, sowas – nff lässt grüssen – erlebt man in der Tat nicht jeden Tag.

  14. tbones Says:

    Eine grandiose Leistung! Herzlichen Glückwunsch!

    Hier habe ich etwas gefunden, was den Anflug, für Laien wie mich, noch faszinierender macht:
    http://www.youtube.com/watch?v=V-A1_ngt31o&feature=related

  15. G! Says:

    Danke, tbones. Allerdings war meine Leistung keineswegs grandios, denn schliesslich wurde ich – und meine Kollegen – dafür ausgebildet. Es ist unser Beruf (der Spass macht ;-)) und dessen Facetten ich mit meinen Blog aufzeigen möchte.

    Danke für den Link, leider blickt der Kameramann desöftern etwas “krumm”. Das Video zeigt aber den Anflug sehr schön. Mann kann – kurz vor der Landung – auch hören, dass die Kollegen scheinbar zu hoch unterwegs waren und dann noch nach unten korrigieren mussten, drum der Callout “Sinkrate, sinkrate” des Flugzeuges…

  16. Sophie Says:

    Hoi Guy

    Es ist schon lange mein Traum Pilot zu werden, doch leider klappt dies aufgrund meiner Augen nun definitiv nicht.

    In deinem Blog zu lesen ist wie ein kleiner Trost. Du schreibst so lebendig, dass ich immer wieder das Gefühl habe, dabei zu sein. (Das schaffen bei weitem nicht viele.) Und es ist mir eine Freude, an deinen Erfahrungen teilzuhaben.
    Dafür danke ich dir, mach weiter so!

    Mit lieben Grüssen, Sophie

  17. Window In The Skies » Blog Archive » You guys sit down there / Ausblick Mai Says:

    […] kein grosses Thema. Für den regelmässigen Leser keine Überraschung: JFK wäre aber nicht JFK, wenn es nicht anders als geplant kommt. Der erste New Yorker Controller schickt uns nach der Begrüssung auf direktem Weg ins Holding. […]

  18. Window In The Skies » Blog Archive » Kurz und sec Says:

    […] Check nach Tel Aviv? Déjà-vu, denn mein Airbus 330 Finalcheck war auch nach Tel Aviv geplant. Schlussendlich ging es aber nach New York JFK und […]

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