London Heathrow: Verunglückte Boeing 777
January 19th, 2008 by G!Am Donnerstag verunglückte in London Heathrow eine Boeing 777-236ER der British Airways (Flug BA038). Aufgrund der bisher von der britischen Flugunfallbehörde AAIB bekannt gegebenen Informationen deutet vieles auf einen Ausfall der beiden Triebwerke bzw. der Ansteuerung derselben (was de facto einem Ausfall gleichkommt) hin:
"At approximately 600 ft and 2 miles from touch down, the Autothrottle demanded an increase in thrust from the two engines but the engines did not respond. Following further demands for increased thrust from the Autothrottle, and subsequently the flight crew moving the throttle levers, the engines similarly failed to respond."
Obwohl es sich – wie immer bei Flugzeugunglücken – noch nicht um definitive Erkenntnisse handelt, möchte ich einige Gedanken zu diesem Vorfall machen.
Die heutigen Triebwerke gehören mitunter zu den zuverlässigsten Bauteilen eines modernen Flugzeuges. Zweimotorige Langstreckenflugzeuge wie der Airbus 330 oder die Boeing 757, 767, 777 und 787 müssen besonders strenge Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Triebwerke erfüllen. Vereinfacht gesagt darf je nach Flugzeugtyp und Einsatzart die Triebwerksausfallsrate im Flug (Inflight Shutdown Rate, IFSR) nicht höher als 0.01-0.02 pro 1000 Flugstunden sein! Das bedeutet, dass ein (!) Triebwerksausfall pro 50’000 bzw. 100’000 Flugstunden vorkommen darf. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit eines doppelten Triebwerksausfalls (Double Engine Failure) noch sehr viel kleiner. Nichts desto Trotz wird dieser Zwischenfall beim Training der Flight Crew regelmässig geübt. So habe ich gerade in meinem vorletzten Beitrag Etikettenschwindel dargestellt, dass wir uns im derzeitigen Trainingszyklus gerade dem Ausfall beider Triebwerke beschäftigen. Dieses Training kostet eine Airline eine nicht unerhebliche Summe; die Investition lohnt sich jedoch auf jeden Fall.
Ich habe meinen Beitrag wie folgt abgeschlossen:
"Während ich so darüber schreibe und nachdenke, scheint mir der Begriff "Refresher" dennoch Sinn zu machen: solche Übungen helfen, dass die Passagiere mit einem sicheren Gefühl mit uns mitfliegen können und am Ende des Fluges refreshed/erfrischt aussteigen können.
Leider ist Sicherheit ist nicht sichtbar."
Was ich damit gemeint habe, erklärte der Captain des Fluges BA038, Peter Burkill, der Presse:
"As British Airways flight and cabin crew, we are trained on a regular basis to deal with emergency situations. We have procedures to follow and everyone knows their role. Flying is about team work and we had an outstanding team on board yesterday.
As captain of the aircraft I am proud to say that every member of my team played their part expertly yesterday, displaying the highest standards of skill and professionalism…"
Ich empfehle jedem Leser, das sehr aufschlussreiche und interessante Statement von Capt Peter Burkill im Volltext zu lesen. Es kann hier abgerufen werden.
Die Tatsache, dass solche Notfälle nicht von sämtlichen betroffenen Stellen regelmässig 1:1 geübt werden, zeigte sich – leider – ebenfalls beim Zwischenfall in London. Scheinbar lies die Behandlung der Passagiere von BA038 durch die Bodencrew zu wünschen übrig, wie hier nachgelesen werden kann.
Posted in in the air, master warning | 11 Comments »
January 19th, 2008 at 21:25
Es gibt dafür eigentlich nur einen Spruch: A ‘good’ landing is one from which you can walk away.
Das sind die Situationen, die man eigentlich ausserhalb des Sims nicht wirklich erleben möchte. Da werden Sekunden auf der einen Seite zur Ewigkeit und auf der anderen Seite rasen sie nur so dahin.
Viel Spass noch die nächsten Tage im WK
Gruss
January 20th, 2008 at 7:32
Sehr interessanter Eintrag! Informativ auch die Links u.a. mit Statement des Captains. Scheint eine sonderbare Sache gewesen zu sein. Bin ja mal gespannt auf die nächsten Erkenntnisse.
Gruss
Dide
January 20th, 2008 at 11:26
nach allem was ich gesehen und gehört habe haben die auch einen guten job gemacht! was mich stört ist das man die crew schon einen tag nach diesem vorfall vor eine meute journalisten schubst. ich an ihrer stelle hätte mich da nicht hingestellt, schon gar nicht so kurz danach wenn noch fast alles an diesem vorfall völlig unklar ist und ich womöglich noch gar nicht genau realisiert habe was passiert ist.
denke doch das da ein gespräch mit CISM oder was ähnlichem hilfreicher ist als eine pressekonferenz
January 20th, 2008 at 12:15
Inzwischen hat sich auch der First Officer, der beim Anflug on controls war, vor der Presse geäussert: http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/london/7198598.stm.
Ich bin auch erstaunt, wie schnell die Piloten der Presse Red und Antwort standen. Sofern sie dafür bereit sind – und das sind sie scheinbar – finde ich es gut, weil dann Infos aus erster Hand, und nicht wilde Spekulationen von selbsternannten Experten vorliegen. Insofern hat das schon was Gutes. Allerdings darf man nicht allzuviel erwarten, denn schliesslich läuft die Untersuchung und ausserdem würde sich ja niemand selber belasten.
Bin, wie Dide, sehr gespannt, was rauskommt…
January 20th, 2008 at 12:31
Mich hat es auch sehr gewundert dass da so schnell eine Pressekonferenz einberufen wurde. Vielleicht ist das aber auch die bekannte “british coolness”
January 21st, 2008 at 11:05
Ja, wenn die der Presse nicht Red und Antwort gestanden haetten, haette die Presse wohl ihre Wohnzimmmer eingerannt…. auch jezt schon, haben sie die Mutter des Co’s ausfuendig gemacht..
Grins-modus:
Vielleicht liest ja einer der Piloten hier mit, und hat es sich damit erspart seinen 777 in mein Wohnzimmer zu fliegen!
Gruss vom LHR-Schneisen-bewohner
Andreas
January 27th, 2008 at 18:21
Das nennt man wohl Meisterleistung.
February 2nd, 2008 at 10:35
Huhu, schreibst du noch?
March 7th, 2008 at 1:34
[…] Spuren eines Unglücks – London Heathrow: Boeing 777 (II)Am Anschlag wegen EmmaGeniesse den AugenblickPRO LuftwaffeWindow In The Skies IVDer Dritte MannNacktKrieg der Flight AttendantsMeld mi zruggLondon Heathrow: Verunglückte Boeing 777 […]
July 6th, 2008 at 12:30
[…] London Heathrow verunglückte Boeing 777-236ER der British Airways (Flug BA038) habe ich bereits am 19. Januar und am 7. März je einen Beitrag geschrieben. In der Zwischenzeit wurde es ruhig um den Vorfall. […]
February 15th, 2010 at 22:02
[…] der British Airways (Flug BA038). Ich habe dazu bereits drei Beiträge mit Bildern veröffentlicht (Teil 1, Teil 2, Teil 3). Vor wenigen Tagen hat die Untersuchungsbehörde AAIB (Air Accidents Investigation […]